23.06.2019 23:03:43
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Westfalen-Blatt: ein Leitartikel zum Kirchentag in Dortmund
Bielefeld (ots) - Was für ein Vertrauen? Das Motto des 37.
Evangelischen Kirchentages, der am Sonntag zu Ende ging, ließ sich
ohne weiteres als zynische Frage verstehen. Was für ein Vertrauen
soll ich noch haben, wenn die Welt sowieso vor dem Abgrund steht? Was
für ein Vertrauen soll ich noch haben, wenn es auf allen Kontinenten
derzeit brodelt? Was für ein Vertrauen soll ich haben, wenn
Populismus und extremistisches Gedankengut auf einmal den politischen
Diskurs zu bestimmen scheint? Es war eben jenes düstere Bild, das
auch Heribert Prantl, früher einmal an der Spitze der »Süddeutschen
Zeitung«, in einem Vortrag mit dem Titel »Ängstigt euch nicht« vor
mehreren Tausend Gästen in der Dortmunder Westfalenhalle hielt. Es
war ein Marsch durch das Kabinett des Schreckens: von Trump und
anderen Populisten über das Artensterben bis hin zur Klimakrise. Im
Vorfeld waren die Kirchentagsmacher mehrfach harsch für die explizite
Nicht-Einladung von AfD-Funktionären zu Podiumsdiskussionen
kritisiert worden. Kirchentagspräsident Hans Leyendecker hatte diese
Präsidiumsentscheidung vehement verteidigt, hatte sich mehrfach mit
der Frage konfrontiert gesehen, ob man der Partei so nicht die
Selbstinszenierung in der Opferrolle darböte. Zum Schluss wurde es
dem ehemaligen Investigativ-Journalisten zu bunt - bei der täglichen
Pressekonferenz verweigerte er den Kommentar auf eine erneute
Journalistenfrage mit AfD-Bezug. Man kann es strategisch für falsch
halten, eine Partei (und damit ihre Anhänger) so deutlich
auszuschließen. Man kann sagen: Es ist notwendig, weiter mit allen zu
sprechen, niemanden zu verprellen. Man kann aber auch sagen: Eine
politische Strömung, deren Erfolg vor allem auf den diffusen Ängsten
in der Bevölkerung fußt, passt nicht auf einen Kirchentag. Denn hier
geht es darum, in einer scheinbar aussichtslosen Lage Hoffnung zu
schöpfen. Hier ist nicht der Ort, um Augen und Ohren vor der Realität
zu verschließen und Probleme einfach ignorieren zu wollen. Oft genug
hat man den Kirchen in der Vergangenheit vorgeworfen, keine klaren
Positionen zu beziehen. Hier haben das zumindest die Verantwortlichen
des Kirchentages getan - und sind konsequent geblieben. Am Ende gab
es für Prantl stehende Ovationen: Mit einer Mischung aus biblischen
Zitaten und Verweisen auf Beispiele wie die Klimaaktivistin Greta
Thunberg hatte er es offenbar geschafft, trotz aller Zukunftsängste
Hoffnungen zu schüren. Was dort in der Westfalenhalle passierte,
dürfte sich wohl auf den gesamten Kirchentag übertragen lassen. Es
ist eine Veranstaltung, von der Menschen etwas mitnehmen wollen. Im
besten Fall neuen Mut, das eigene Leben und die gesellschaftlichen
Probleme anzupacken.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Scholz Stephan Telefon: 0521 585-261 st_scholz@westfalen-blatt.de
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