04.05.2014 21:14:59
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zum Verständnis der Deutschen für Putin
Bielefeld (ots) - Wladimir Grinin ist um seine Aufgabe nicht zu
beneiden. Der russische Botschafter in Berlin muss vorzugsweise in
Fernseh-Talkshows die Ukraine-Politik seines Landes verteidigen.
Jetzt hat der Diplomat die Contenance verloren und von
»Russland-Hass« in den deutschen Medien gesprochen. Und wenn der
»Spiegel Online«-Kolumnist Jan Fleischhauer den russischen
Präsidenten Wladimir Putin einen »Postfaschisten« nennt, könnte man
Grinins Gedanken zumindest ansatzweise folgen. Womit der Botschafter
richtig liegt: Die Diskrepanz zwischen öffentlicher Meinung und
veröffentlichter Meinung ist erstaunlich. Während Regierungspolitiker
und Medien scharfe Kritik an Russlands Vorgehen in der Ukraine äußern
und Sanktionen für sinnvolle Strafmaßnahmen halten, unterscheidet
sich die Stimmung in weiten Teilen der Bevölkerung deutlich davon.
Beeinflussen Putin-Versteher wie Gerhard Schröder und Helmut Schmidt
die öffentliche Meinung? Oder drücken sie nur das aus, was eine
deutliche Mehrheit der Deutschen ohnehin denkt? Mehr als 60 Prozent
der Bevölkerung standen beim Konflikt um die Krim politisch eher auf
russischer Seite als auf der Seite Europas - inklusive Deutschlands.
Das muss Gründe haben, die tiefer liegen. Mutmaßlich in der
vielzitierten Seelenverwandtschaft der beiden Völker. Für das
deutsche Bildungsbürgertum ist die Krim beinahe ein Sehnsuchtsort,
zumindest ein wohlbekannter Kulturraum - von Anton Tschechows
Erzählung »Die Dame mit dem Hündchen« bis zu Sergei Eisensteins
Stummfilm »Panzerkreuzer Potemkin« über die meuternde Besatzung eines
Kriegsschiffs der zaristischen Schwarzmeerflotte. Zum Bezug zur Krim
trägt auch die Jalta-Konferenz bei. Dort legten die alliierten
Staatschefs Franklin D. Roosevelt, Josef Stalin und Winston Churchill
im Februar 1945, drei Monate vor Kriegsende, die Aufteilung
Deutschlands fest. Nach jahrzehntelanger Romantisierung Russlands
durch Reportagen der ARD-Korrespondenten Klaus Bednarz (»Die Ballade
vom Baikalsee«) und Gerd Ruge (»Sibirisches Tagebuch«) fühlen sich
viele Deutsche der russischen Seele so nah, das eine Fahrt mit der
Transsibirischen Eisenbahn als Traumreise gilt. Neben diesen
emotionalen Faktoren sind viele Leute von Putin als Persönlichkeit
fasziniert. Nur der russische Präsident scheint einen Plan zu haben
und diesen zu verfolgen. Dass Russland vermeintlich aus einer
Position der Stärke agiert, kommt offenbar so gut an, dass die
Verletzung des Völkerrechts kaum ins Gewicht fällt. Die am Wochenende
erreichte Freilassung der Militärbeobachter, die ohne russische Hilfe
kaum zustandegekommen wäre, wird Putins Image in Deutschland gewiss
nicht abträglich sein. Doch im zunehmenden Chaos in der Ostukraine
muss sich erst noch erweisen, ob er dort tatsächlich noch etwas zu
sagen hat.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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