05.09.2014 21:12:58
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema "Wirksames Regieren"
Bielefeld (ots) - In der Politik werden Inhalte und
Problemlösungen »verkauft«, zuweilen sogar Ideologien. Parteien
wollen »liefern«, wie einst die FDP unter Philipp Rösler. Dass
Begriffe aus der Wirtschaft im politischen Betrieb verwendet werden,
ist nicht neu. Neu ist allerdings der Einzug der Verhaltensökonomie
ins Bundeskanzleramt. Drei Experten will die Regierung einstellen, um
die Bürger dazu zu bringen, vernünftiger zu handeln. Offensichtlich
reichen die Fähigkeiten der Berufspolitiker und Beamten nicht dazu
aus, die Menschen von mehr rationalem Verhalten zu überzeugen.
»Wirksames Regieren« nennt das Kanzleramt das Ziel, das hinter der
Stellenausschreibung stecken soll. Im Umkehrschluss könnte man zu der
Erkenntnis gelangen, dass bislang nicht wirksam regiert worden sei.
Zwänge sind kontraproduktiv und führen oft zum Gegenteil dessen, das
man zu erreichen versucht. Das haben die als Verbotspartei
wahrgenommenen Grünen bei der Bundestagswahl erfahren müssen. Die
Absicht geht dahin, Vorschriften als gut gemeinte Ratschläge an die
Bürger zu bringen. So harmlos klingen jedenfalls die Verlautbarungen
aus dem Kanzleramt. Da ist von ganz praktischen Dingen die Rede:
weniger Zigaretten, mehr Altersvorsorge, weniger Energieverbrauch,
mehr Bewegung. Diese offiziellen Beispiele deuten an, worum es
wirklich geht: ums Geld natürlich. Wer jetzt nicht fürs Alter spart,
wird später ein Fall für die Grundsicherung. Wer Chips futtert und
auf dem Sofa sitzt, belastet das Gesundheitssystem. Weil solches
Handeln den Staat viel Geld kostet, sollen sich die Leute anders
verhalten. Damit sie das frei von gefühlten Zwängen tun, entwickeln
die Verhaltensforscher im Kanzleramt Strategien. Die
Lebensbedingungen haben sich in den vergangenen zehn Jahren
grundlegend verändert. Wieso sparen, wenn das Geld dabei an Wert
verliert? Konsum im Hier und Jetzt ist für viele verlockender als die
Aussicht, im Alter vielleicht nur 80 Euro mehr zu haben als eine
monatliche Grundrente. Die Politik kann das Wesen des Menschen nicht
ändern. Regierungen auf Bundes- und Landesebene schaffen so viele
neue Ansprüche, dass die Staatsgläubigkeit zunimmt. Die Bereitschaft
zur Eigenverantwortung bleibt dabei auf der Strecke. Der Verweis
darauf, dass die Wirtschaft auch mit diesen Methoden arbeitet, ist
unpassend. Denn wenn der Staat wie ein Unternehmen geführt würde,
wäre Deutschland nicht mit zwei Billionen Euro verschuldet. Allein
der Vorstoß des Kanzleramts macht deutlich, wie groß der Abstand
zwischen Regierenden und Regierten ist. Die post-demokratischen
Tendenzen treten immer deutlicher hervor. Zu einem könnte die
Verhaltensökonomie in der Politik gut sein: die Wahlbeteiligung
erhöhen. Wenn diese einmal unter 50 Prozent liegen sollte, stellt
sich nämlich die Frage nach der Legitimität von Regierungen.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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