Strahlkraft verloren 19.09.2016 10:00:45

Weidmann sorgt sich um Europa

"Die übliche Reaktion der EU-Institutionen, Krisen mit 'mehr Brüssel', 'mehr Integration' zu beantworten, verfängt nicht mehr" sagte Weidmann im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (Montagausgabe). Für viele Bürger habe Europa an Strahlkraft verloren und sei zur Projektionsfläche für die "Schattenseiten von Globalisierung und Migration" geworden. Da eine Politische Union nicht mehrheitsfähig sei, müsse nun die Eigenverantwortung der Mitgliedsländer gestärkt werden, so der Bundesbankpräsident. Ansatzpunkte sieht er in einer Insolvenzordnung für Staaten und eine unabhängige Behörde, die die Einhaltung der Haushaltsregeln strikter überwacht, als es die Europäische Kommission derzeit macht.

   Weidmann warnte davor, die EZB-Geldpolitik zu überfordern. "Die Notenbanken werden mit Erwartungen überfrachtet. Dies erfüllt mich mit einer gewissen Sorge, denn die EZB kann nicht alle Probleme lösen", sagte der Bundesbankchef und forderte: "Auf keinen Fall dürfen die Zinsen länger so niedrig bleiben als mit Blick auf die Preisstabilität unbedingt erforderlich." Die EZB dürfe dabei niemanden schonen. "Mögliche Probleme einzelner Finanzinstitute oder Staatshaushalte dürfen uns nicht davon abhalten, die Geldpolitik zu normalisieren, sobald es geboten ist."

   Weidmann sprach sich für eine Abspaltung der Bankenaufsicht von der EZB aus. "Der EZB-Rat verantwortet Geldpolitik und Bankenaufsicht", es drohe ein Zielkonflikt: "Als Bankenaufseher tut er sich möglicherweise schwer, eine Bank hart anzufassen oder gar auf eine Abwicklung hinzuwirken, wenn er weiß, dass er aufgrund seiner geldpolitischen Maßnahmen ihr größter Gläubiger ist. Als Geldpolitiker tut er sich möglicherweise zudem schwer, den Leitzins anzuheben, wenn ihm Probleme, die Banken mit dem Zinsanstieg haben können, als Aufseher auf die Füße fallen."

   Auf die Frage, ob Weidmann der nächste EZB-Präsident werden wolle, antwortete er: "Ich bin Bundesbankpräsident, und zwar sehr gerne. Im Übrigen: Mitten in der Amtszeit von Mario Draghi über seine Nachfolge zu diskutieren, halte ich für deplatziert." Weidmann sprach auch mit den ausländischen Zeitungen La Stampa, Guardian und Le Monde.

     DJG/cbr/ros

   Dow Jones Newswires

FRANKFURT (Dow Jones)

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