20.09.2017 21:03:56
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WAZ: Vor der Hochzeit steht die saubere Scheidung - Leitartikel von Stefan Schulte zur Stahlfusion von Thyssen-Krupp und Tata
Der Elektroingenieur Hiesinger hat als Konzernchef lange daran getüftelt, den mit Pensionsverpflichtungen und Schulden schwer belasteten Stahl als Kerngeschäft loszuwerden. Lang genug für die Arbeitnehmerseite, sich auf den Fall der Fälle vorzubereiten. Entsprechend gut organisiert ist auch der Widerstand von Betriebsrat und IG Metall. Sie sind kampferprobt und werden sich Gehör zu verschaffen wissen. Unterm Strich muss ihr Ziel freilich sein, so viele Arbeitsplätze wie möglich so lange wie möglich zu sichern. Wenn das am Ende in einer Fusion mit Tata besser gelänge als etwa bei einer reinen Gesundschrumpfung im Konzern, einer deutschen Lösung oder gar einer Zerschlagung - dann könnte "Tütata" doch noch im so bewährten Konsens zwischen Management und Arbeitnehmern über die Bühne gehen. Doch der Weg dahin ist noch weit.
Und ein Grundkonflikt bleibt: Je mehr bilanzielle Altlasten Thyssen-Krupp seinen Stahlkochern mit ins neue Unternehmen packt, desto schwerer wird's für Tütata, im harten globalen Wettbewerb zu bestehen. Hiesinger hat kein Interesse, das Joint Venture gegen die Wand zu fahren, schließlich bleibt er bis auf Weiteres zur Hälfte daran beteiligt. Doch sein Hauptaugenmerk gilt den im Konzern verbleibenden Sparten - und je mehr Altlasten er aus der Konzernbilanz tilgen kann, desto besser für das neue Thyssen-Krupp. Die Interessen von Konzern und Stahl-Beteiligung klaffen hier auseinander.
Will Hiesinger der Stahl-Hochzeit mit Tata eine friedliche Scheidung zugrunde legen, muss er die Arbeiter überzeugen, dass Tütata eine echte Perspektive hat, idealerweise eine bessere als ohne Fusion. Dafür sprechen die Werksprofile und Einsparmöglichkeiten jenseits bloßer Schließungen und Stellenstreichungen. Und dafür spricht die schiere Notwendigkeit, so oder so Überkapazitäten abbauen zu müssen. Dagegen spricht, dass die Synergien erst in Jahren voll greifen und die Konkurrenz nicht ruhen wird. Ferner spricht dagegen, dass Zusagen und politische Einflussnahme in Großbritannien befürchten lassen, dass am Ende nicht die besten Werke übrig bleiben, sondern die bestbeschützten.
Die Arbeit für Hiesinger beginnt mit dem heutigen Tage erst richtig. Ein historischer Schnitt dieser Tragweite muss einer allen Seiten gerecht werdenden Strategie folgen und nicht den Gesetzen reiner Bilanzarithmetik. Wenn Hiesinger das gelingt, hat er die Chance, den Konzern langfristig zu befrieden. Und so verstaubt und überholt manch Tradition sein mag - die Montan-Mitbestimmung ist es nicht. Ohne sie wäre es niemals gelungen, den seit Jahrzehnten laufenden Abbau Abertausender Arbeitsplätze bis heute ohne betriebsbedingte Kündigungen zu managen. Das verdient eine Fortsetzung.
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