24.07.2013 19:17:58
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WAZ: Teure Fehlplanung beim Verkehrsnetz. Kommentar von Dietmar Seher
Essen (ots) - Eine große japanische Zeitung hat sich bei
Landesverkehrsminister Michael Groschek gemeldet. Die Japaner wollten
wissen: Wie kann es sein, dass im so perfekten, reichen und
wirtschaftlich stabilen Deutschland Autobahnbrücken bröckeln und
Verkehrsnetze verfallen? Viele Deutsche, die ihre Steuern zahlen,
fragen sich das auch. Die Antwort hat eng mit den Umwälzungen von
1989 zu tun. Als die Mauern in Europa fielen, vervielfachten sich die
Handelsströme. Der Lastverkehr brandete über die alten Grenzen auf
das damals schon angejahrte und störanfällige Straßennetz. Wenn ein
Lkw aber zehnmal so schwer wie ein Pkw ist und deshalb die Fahrbahn
zwangsläufig ruiniert, muss repariert werden. Im "alten Westen"
unterblieb das. Das Geld wurde in den Aufbau Ost geschleust. Jetzt
präsentiert der Alltag die Rechnung: Schlaglöcher, Rostflicken,
geplatzte Schweißnähte. Sieben Milliarden Euro zusätzlich im Jahr
wird man brauchen, um das Versäumte nachzuholen. Das dauert dann 15
weitere Jahre. Die marode Leverkusener Rheinbrücke steht als Symbol
für die Fehleinschätzungen der jüngsten Vergangenheit. Ihre immer
häufiger fälligen Not-Sperrungen zeigen, wie schnell die Wirtschaft
leidet, wenn die Nervenstränge einer Volkswirtschaft nicht mehr
funktionieren. Firmen aus dem Sauerland lassen ihre Schwertransporte
erst nach Süden rollen, um dann über Niedersachsen nach Holland zu
finden. Es gibt keinen anderen offenen Weg. Auch die Bahn, die beste
Alternative zum Straßenverkehr, muss kapitulieren: Schwere Frachten
passen nicht durch die Tunnelquerschnitte, die vor 100 Jahren erdacht
wurden. Und 100 Jahre wurde hier nichts getan. Deutschland steht mit
der grundlegenden Reparatur seiner Infrastruktur vor einer
Herausforderung, die von Umfang und politischer Bedeutung her
vergleichbar ist mit den großen sozialpolitischen Reformwerken bei
Rente und Pflege. Hier wie dort geht es auch um die Kernfrage: Wer
soll das bezahlen? Vielleicht hören wir die Antwort nach der
Bundestagswahl. Die Maut, die Nachbarstaaten längst erheben, scheint
eingepreist. Die Schuldenbremse, die spätestens 2020 wirkt, lässt
keine andere Chance.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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