05.07.2020 15:24:38
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Wahlforscher: SPD wird eher keinen Kanzlerkandidaten brauchen
BERLIN (dpa-AFX) - Der Wahlforscher Matthias Jung sieht trotz der Rolle der mitregierenden SPD bei der Bewältigung der Corona-Krise keine Anzeichen für einen Umfrage-Aufschwung der Partei. Es sei nicht sicher, "ob die SPD angesichts ihrer zu erwartenden Stärke überhaupt einen Kanzlerkandidaten brauchen wird", sagte der Leiter der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen der Deutschen Presse-Agentur. Die Leistungen der Bundesregierung würden vor allem mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Verbindung gebracht.
Die SPD liegt derzeit in Umfragen zwischen 14 und 16 Prozent, die Union zwischen 37 und 40 Prozent.
Auch die Aussichten von Finanzminister Olaf Scholz als potenzieller SPD-Kanzlerkandidat bewertet Jung eher als düster. Zwar habe der Vizekanzler recht positive Imagewerte. "Er liegt in der Bevölkerung insgesamt gleichauf mit (CSU-Chef) Markus Söder deutlich hinter der Kanzlerin und bei den Anhängern seiner eigenen Partei knapp hinter der Kanzlerin (...)." Der Wahlforscher zweifelt daran, ob die Werte reichen für "eine kraftvolle Mobilisierung" der eigenen Anhänger.
"Dass die positive Bewertung von Olaf Scholz wenig auf das Konto der SPD einzahlt, hat sich die SPD selbst zuzuschreiben", erklärte Jung. Die Parteibasis habe bei der Mitgliederentscheidung für den Vorsitz klar demonstriert, "dass sie Olaf Scholz als Vorsitzenden der Partei nicht will und ihn dabei für alle deutlich sichtbar, fast demütigend abgestraft. Wie sollen dann Leistungen von Scholz der SPD zugute kommen, wenn die ihn für ungeeignet hält, die SPD zu vertreten?".
Die neuen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans werden nach Angaben des Wahlforschers bei Umfragen nicht zu den wichtigsten Politikern gerechnet. Mit ihrer stärker nach links ausgerichteten Programmatik bediene das Duo eher die Befindlichkeit einer Parteibasis, die noch immer von der Reformpolitik des früheren SPD-Kanzlers Gerhard Schröder verunsichert sei. Damit ließen die beiden aber die Bedürfnisse der Wähler außer acht, die die SPD erreichen müsste, um wieder deutlich über 20 Prozent zu kommen.
Die SPD sei in einer "strategisch extrem unbefriedigenden Lage". Sie sei eingekeilt zwischen der Linken auf der einen Seite und der Union auf der anderen Seite. "Zusätzlich wird sie noch bedrängt von der AfD, was die sich benachteiligt Fühlenden angeht, und von den Grünen, was die linksliberalen Wählerschichten angeht." Jedes Mal, wenn die SPD auf eine Gruppe zugehe, verärgere sie mindestens in gleichem Maß Wähler an den anderen Fronten. "Übrig bleibt ein als wenig glaubwürdig wahrgenommenes Lavieren, was von den Wählern wenig goutiert wird und auch deshalb die SPD immer ratloser zurücklässt."/hot/DP/men
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