22.09.2013 22:04:31
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WAHL2013/ROUNDUP 3: Merkel-Triumph und FDP-Fiasko
Ein Unsicherheitsfaktor blieb in den Hochrechnungen (Stand: 21.45 Uhr) die eurokritische Partei Alternative für Deutschland (AfD). Sie verbuchte einen Überraschungserfolg dicht an der Fünf-Prozent-Marke, der Sprung in den Bundestag wurde aber im Laufe des Abends unwahrscheinlicher. Rot-Grün verfehlte einen Regierungswechsel deutlich.
KANZLERIN WILL BIS 2017 BLEIBEN
Merkel hat jetzt alle Karten in der Hand - nach den Hochrechnungen eine große Koalition mit der SPD oder Schwarz-Grün. Zeitweise sah es am Abend sogar nach einer Alleinregierung der CDU/CSU aus. Merkel versicherte in der "Berliner Runde" der Spitzenpolitiker, es sei selbstverständlich, "dass man sich um eine stabile Mehrheit bemüht". Sie wolle stabile Verhältnisse in Deutschland und werde "keine Vabanquespiele eingehen". Die Kanzlerin will während der kompletten Wahlperiode bis 2017 am Ruder bleiben.
Im Bund erreichte bisher nur die Union eine absolute Mehrheit: 1957 stimmten 50,2 Prozent für die Partei von Kanzler Konrad Adenauer, der aber dennoch eine Koalition mit der damaligen Deutschen Partei (DP) bildete. Allein regierte die Union nur von Juli 1960 bis November 1961 nach dem Übertritt der meisten DP-Abgeordneten zu CDU und CSU.
Die FDP von Spitzenkandidat Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler blieb mit dem schwächsten Ergebnis ihrer Geschichte deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Die Union hingegen schaffte ihr bestes Resultat seit der Einheits-Wahl 1990 - erstmals konnte Merkel als Parteichefin das Ergebnis steigern.
UNiON HAT SO VIEL STIMMEN WIE SPD, GRÜNE UND LINKSPARTEI
Die Union lag gegen 21.45 Uhr nach Mandaten gleichauf mit SPD, Grünen und Linkspartei - eine enge Situation, die eine lange Wahlnacht mit großer Spannung versprach. SPD und Grüne hatten ein Zusammengehen mit der Linken strikt abgelehnt, die Union will nicht mit der AfD kooperieren. Eine große Koalition hatte zuletzt von 2005 bis 2009 unter Führung Merkels regiert und Deutschland gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise geführt. Die SPD mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und die Grünen mit dem Duo Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin verpassten ihr Wahlziel Rot-Grün um Längen.
Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF (21.45 Uhr) kommt die CDU/CSU auf 41,7 bis 42,1 Prozent (2009: 33,8) und legt damit um rund acht Punkte zu. Die SPD verbessert sich um zweieinhalb Punkte auf 25,6 Prozent (2009: 23,0). Die FDP stürzt innerhalb von vier Jahren von 14,6 Prozent auf desaströse 4,6 bis 4,7 Prozent ab. Die Grünen verlieren leicht auf 8,2 bis 8,4 Prozent (2009: 10,7). Die Linke verschlechtert sich auf 8,6 bis 8,7 Prozent (2009: 11,9). Die AfD kommt aus dem Stand heraus auf 4,8 bis 4,9 Prozent.
Die Hochrechnungen von Infratest dimap (ARD) und Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) ergeben für CDU/CSU im neuen Bundestag 295 bis 302 Sitze (2009: 239), für die SPD 182 bis 183 Mandate (146). Die Grünen können mit 59 bis 60 Mandaten (68) rechnen, die Linke mit 61 bis 62 Sitzen (76). Während beim ZDF Überhangmandate eingerechnet wurden, fehlten diese bei der ARD. Bei der Wahlbeteiligung zeichnete sich nach dem Negativrekord von 70,8 Prozent vor vier Jahren ein leicht verbesserter Wert von etwa 72 Prozent ab.
KEINE KLAREN VERHÄLTNISSE IN HESSEN
Zeitgleich zur Bundestagswahl wurde in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Hier ergaben sich nach Hochrechnungen keine klaren Machtverhältnisse. Schwarz-Gelb wurde abgewählt - Rot-Rot-Grün war am Abend möglich, aber wenig wahrscheinlich. Auch hier flog die bis dahin mitregierende FDP aus dem Parlament. Die SPD, die 2009 in ihrer einstigen Hochburg auf ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis abgesackt war, legte kräftig zu.
Merkel sprach unter dem Jubel ihrer Anhänger von einem "Super- Ergebnis" und versicherte: "Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen." Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel zeigte sich enttäuscht: "Ja, wir haben zugelegt, aber wir haben mehr erwartet, keine Frage", sagte er und gratulierte: "CDU/CSU haben einen großen Erfolg eingefahren." SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück ergänzte: "Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel. Sie muss sich eine Mehrheit besorgen."
CSU-Chef Horst Seehofer sagte in München, seine Partei wolle eine Koalition mit der SPD "im Grunde genommen" nicht, weil ein solches Bündnis die Ausnahme sein sollte. Für die Entscheidungen im Bundesrat allerdings könne eine große Koalition hilfreich sein. "Aber darüber zu spekulieren ist viel zu früh."
CDU-Vorstandsmitglied Annegret Kramp-Karrenbauer schloss Verhandlungen mit den Grünen über eine mögliche Koalition nicht aus. "Es gilt der alte Grundsatz, dass alle demokratischen Parteien untereinander auch gesprächsbereit sein sollten", sagte die Saar- Ministerpräsidentin. Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin sieht solche Gespräche aber skeptisch: "Die Wahrscheinlichkeit, dass dabei etwas rauskommt, halte ich nicht für besonders hoch."
MERKEL GENIESST HOHES ANSEHEN
Der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke sprach von einem "ganz starken Ergebnis". Er hoffe auf den Einzug in den Bundestag. "Aber auch 4,9 Prozent wären ein großartiger Erfolg." FDP-Chef Philipp Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle übernahmen die politische Verantwortung für das Debakel ihrer Partei - beide deuteten ihren Rücktritt an. "Das ist das schlechteste Ergebnis, das wir bislang mit der FDP erreicht haben", sagte Brüderle. Nordrhein-Westfalens FDP-Chef Christian Lindner verlangte eine Erneuerung seiner Partei.
Die Union hat ihren Erfolg bei der Bundestagswahl nach einer ersten Analyse der Forschungsgruppe Wahlen vor allem dem hohen Ansehen Merkels zu verdanken. Sie habe das beste Kanzler-Image seit 1990, als Helmut Kohl an der Spitze der Regierung stand. Die Wertschätzung sei lagerübergreifend, schrieben die Wahlforscher: 80 Prozent attestierten der Kanzlerin demnach gute Arbeit, nur 17 Prozent bewerteten ihre Leistung als schlecht. Die CDU/CSU konnte zudem davon profitieren, dass die Deutschen das Land trotz der Euro-Krise klar besser aufgestellt sehen als 2009.
Ein klarer Sieg der Union im Bund hatte sich seit Monaten in allen Umfragen angedeutet. Zudem hatte die Bayern-Wahl vor einer Woche mit einer absoluten CSU-Mehrheit den Schwesterparteien nochmals einen Schub verschafft. Die mit 3,3 Prozent aus dem Landtag geflogene FDP versuchte mit einer massiven Zweitstimmenkampagne ein ähnlich dramatisches Scheitern im Bund zu verhindern - ohne jeden Erfolg.
Zur Wahl aufgerufen waren rund 61,8 Millionen Bürger. 34 Parteien mit 4451 Kandidaten bewarben sich in den 299 Wahlkreisen um die regulär 598 Sitze im Bundestag./sk/ll/DP/zb
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