21.02.2025 09:34:39
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WAHL 2025: Von XL auf L - neues Wahlrecht lässt Bundestag schrumpfen
BERLIN (dpa-AFX) - Wenn Deutschlands Wählerinnen und Wähler am Sonntag ihre Stimmzettel in die Urnen werfen, werden sie erstmals nach dem neuen Wahlrecht der Ampel-Koalition über die Zusammensetzung des nächsten Bundestages entscheiden. Merken werden sie davon allerdings zunächst nichts.
Wie wählt man jetzt?
So wie bisher auch. Die Wahlberechtigten können weiterhin zwei Stimmen vergeben - die Erststimme, mit der sie einen Kandidaten direkt wählen können, die Zweitstimme, die sie an eine Partei vergeben. Es ist auch bei dieser Bezeichnung geblieben. Ursprünglich wollten die Ampel-Fraktionen sie durch die Begriffe "Wahlkreisstimme" und "Hauptstimme" ersetzen. Sie sahen dann aber ein, dass eine solche Umbenennung für Verwirrung sorgen könnte.
Es bleibt auch bei der Aufteilung des Bundesgebietes in 299 Wahlkreise. Und es bleibt bei der Fünf-Prozent-Sperrklausel: Für den Einzug in den Bundestag muss eine Partei mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erringen - oder aber mindestens drei Direktmandate.
Wie groß wird der nächste Bundestag?
In den vergangenen Jahren wurde der Bundestag von Wahl zu Wahl größer. Die Sollgröße lag eigentlich bei 598 Abgeordneten. Doch bei der Bundestagswahl 2013 zogen 631 Abgeordnete ins Parlament ein, 2017 waren es schon 709 und 2021 dann 736 Abgeordnete.
Der Bundestag entwickelte sich auf diese Weise zum größten frei gewählten Parlament der Welt. Damit ist nun Schluss. Durch die Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition wird die Größe des Bundestages auf 630 Abgeordnete begrenzt.
Wieso wurde der Bundestag immer größer?
Aufgebläht wurde der Bundestag durch Überhang- und Ausgleichsmandate. Diese wird es jetzt nicht mehr geben. Überhangmandate entstanden, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate holte als ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis Sitze zustanden. Diese Mandate durfte sie behalten. Die anderen Parteien erhielten dafür Ausgleichsmandate.
Bei der Bundestagswahl 2021 fielen 34 Überhang- und 104 Ausgleichsmandate an. Dabei wurden 3 der 34 Überhangmandate nicht ausgeglichen.
Welche Folgen hat das neue Wahlrecht für die Bewerber?
Mit der Reform wird die Zweitstimme wichtiger als bisher. Denn um ein errungenes Direktmandat sicher zu erhalten, muss dieses jetzt durch das Zweitstimmenergebnis gedeckt sein. Bisher war es so, dass derjenige, der ein Direktmandat gewann, seinen Sitz im Bundestag sicher hatte. Dies ist jetzt nicht mehr zwangsläufig der Fall.
Eine einfache Rechnung: Holt eine Partei in einem Bundesland 50 Direktmandate, nach dem Zweitstimmenergebnis stehen ihr aber nur 48 Mandate zu, dann gehen jetzt die beiden Direktkandidaten mit den schlechtesten Erststimmergebnissen leer aus.
Ist das rechtlich zulässig?
Ja. Das wurde höchstrichterlich vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet. Dieses entschied in seinem Urteil vom 30. Juli vergangenen Jahres, dass das Zweitstimmendeckungsverfahren mit dem Grundgesetz vereinbar sei.
Dennoch ist die politische Empörung über dieses Verfahren groß - vor allem bei der CSU. Verständlicherweise. Denn: Die CSU holte bei der Bundestagswahl 2021 in 45 der 46 bayerischen Wahlkreise das Direktmandat. Nach ihrem bundesweiten Zweitstimmergebnis hätte sie aber nur 34 Sitze im Bundestag bekommen dürfen. 11 der 45 Mandate waren also Überhangmandate - die es jetzt nicht mehr gibt.
Gibt es weitere Änderungen durch die Wahlrechtsreform?
Ursprünglich sah das Gesetz auch vor, die sogenannte Grundmandatsklausel zu streichen. Nach ihr zogen Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, trotzdem in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie mindestens drei Direktmandate holten.
Karlsruhe erklärte jedoch die Fünf-Prozent-Hürde ohne die Grundmandatsklausel für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das höchste deutsche Gericht verlangte eine Neuregelung und setzte bis dahin die Grundmandatsregelung wieder in Kraft.
Wer profitiert von dieser Regelung?
Bei der Wahl 2021 war dies die Linke. Sie kam zwar nur auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen, holte aber in Berlin zwei und in Leipzig ein Direktmandat. Dadurch zog sie mit 39 Abgeordneten in den Bundestag ein.
Aber auch die nur in Bayern antretende CSU lag 2021 mit bundesweit 5,2 Prozent der Zweitstimmen nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Das Horrorszenario der Parteispitze sah so aus: Die CSU rutscht jetzt unter die Fünf-Prozent-Marke. Und weil es keine Grundmandatsklausel mehr gibt, fliegt sie aus dem Bundestag, obwohl sie wieder alle oder fast alle Direktmandate in Bayern geholt hat. Dem hat Karlsruhe mit seinem Urteil einen Riegel vorgeschoben.
Was bringt die Verkleinerung des Bundestages finanziell?
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat gerade ausgerechnet, dass die Kosten für den Bundestag durch die Schrumpfkur jährlich um 125 Millionen Euro sinken werden. Die größten Einzelposten sind demnach geringere Ausgaben für Abgeordnetendiäten von 13 Millionen Euro, für Zahlungen an die Fraktionen von bis zu 20 Millionen Euro und für Gehaltszahlungen an Abgeordnetenmitarbeiter von 44 Millionen Euro. Dazu kämen zahlreiche weitere Einzelposten wie für Büroausstattung oder Reisen.
Bleibt das Wahlrecht jetzt dauerhaft so?
Wohl kaum. Die Union drängt darauf, es nach einem Wahlsieg wieder zu ändern. In ihrem Wahlprogramm gibt es den Punkt "Ampel-Wahlrecht abschaffen". Allerdings kämen CDU und CSU in schwere Erklärungsnöte, wenn die Zahl der Abgeordneten wieder zunehmen würde, nachdem es gerade gelungen ist, sie signifikant zu reduzieren.
In Koalitionsverhandlungen dürfte dies ein schwieriger Punkt werden, weil die Union absehbar als Partner auf eine der bisherigen Ampel-Parteien angewiesen sein wird. Diese müsste dann bereit sein, die von ihr mitentwickelte Wahlrechtsreform wieder rückgängig zu machen./sk/DP/zb
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