05.04.2020 16:48:42
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VIRUS/ROUNDUP/Neuer Labour-Chef: Regierung hat schwere Fehler gemacht
LONDON (dpa-AFX) - Der frisch gewählte Chef der britischen Labour-Partei, Keir Starmer, hat den Druck auf Premierminister Boris Johnson in der Coronavirus-Pandemie erhöht. "Es sind schwere Fehler gemacht worden", schrieb Starmer in einem Gastbeitrag in der "Sunday Times". Der 57 Jahre alte ehemalige Menschenrechtsanwalt und frühere Leiter der Ermittlungsbehörde Crown Prosecution Service war am Samstag zum Chef der britischen Sozialdemokraten gekürt worden.
Starmer tritt die Nachfolge von Jeremy Corbyn an. Unter dessen Führung hatte Labour bei der Parlamentswahl im vergangenen Dezember die schwerste Niederlage seit 1935 eingefahren. Zur Vizechefin wurde die bisherige bildungspolitische Sprecherin Angela Rayner gewählt.
Der neue Oppositionschef sagte, die konservative Regierung habe zu spät eingestanden, dass Großbritannien bei der Zahl der Tests hinter anderen Ländern hinterherhinke. Nun müsse das Versprechen, täglich 100 000 Tests durchzuführen, rasch eingelöst werden. Vor allem Krankenhausmitarbeiter müssten getestet und mit der notwendigen Schutzkleidung ausgerüstet werden, forderte Starmer.
Eine Umfrage des Royal College of Physicians, die am Sonntag veröffentlicht wurde, ergab, dass derzeit rund 20 Prozent des medizinischen Personals in Großbritannien der Arbeit fernbleibt. Als Grund dafür nannten die meisten eine vermutete, aber nicht bestätigte Covid-19-Erkrankung bei sich selbst oder bei Angehörigen. Knapp ein Viertel der Befragten gab zudem an, keinen ausreichenden Zugang zu Schutzkleidung zu haben.
Trotz seiner Kritik an der Regierung machte Starmer deutlich, dass er die Corona-Krise nicht dafür nutzen will, um politisch zu punkten. "Ich will, dass die Regierung erfolgreich ist, um Leben zu retten und den Lebensunterhalt (der Bürger) zu sichern. Das ist eine nationale Anstrengung und wir sollten uns alle fragen, was wir zusätzlich beitragen können", schrieb Starmer.
Starmer forderte auch Klarheit über die Pläne der Regierung für eine schrittweise Aufhebung der Einschränkungen in dem Land. Bereits jetzt müsse zudem an der Infrastruktur gearbeitet werden, um die Bevölkerung mit einem Impfstoff zu immunisieren, sobald dieser verfügbar sei.
Starmers Wahl zum Parteichef gilt als Abkehr von dem stramm linksgerichteten Kurs der britischen Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren, der für die Partei zur Zerreißprobe wurde. Doch Starmer ist kein zweiter Tony Blair. Er kündigte an, den linken und den pragmatischen Flügel der Partei miteinander versöhnen zu wollen. Ob ihm das gelingt, dürfte maßgeblich über seine Chancen entscheiden, den Tories von Premierminister Boris Johnson gefährlich zu werden.
Der 70 Jahre alte Altlinke Corbyn und seine Mitstreiter standen auch immer wieder in der Kritik, antisemitische Tendenzen in ihrer Partei zu dulden. Hier versprach Starmer einen Neustart: "Ich übernehme die persönliche Verantwortung, dieses giftigen Gewächs mitsamt der Wurzel auszureißen - und ich meine es ernst", so der Abgeordnete für den Londoner Wahlkreis Holborn and St. Pancras.
Die konservative Regierung von Johnson steht angesichts der rapide wachsenden Zahl von Corona-Todesfällen unter großem Druck. Die Zahl der Toten durch die Lungenkrankheit Covid-19 in Großbritannien stieg am Sonntag um 621 auf 4934. Noch am Sonntagabend wollte sich Königin Elizabeth II. in einer außergewöhnlichen Ansprache an ihre Landsleute wenden.
Zum Thema EU-Austritt verlor Starmer in seiner per Internet verbreiteten Siegesrede am Samstag kein einziges Wort. Er fungierte im Schattenkabinett Corbyns als Brexit-Experte und gilt als Gegner des EU-Austritts. Noch im vergangenen Jahr setzte er sich vehement dafür ein, ein zweites Referendum auf die Agenda der Labour-Partei zu bringen. Corbyn hingegen hatte das nur sehr zögerlich akzeptiert.
Die widersprüchliche Haltung Labours zum Brexit gilt als einer der Gründe, warum die Partei einen Großteil ihrer Stammwähler in den ehemaligen Industrie- und Bergbauregionen im Norden Englands und den Midlands verloren hat. Starmer wird sich daher wohl hüten, allzu laut nach einer Verlängerung der Brexit-Übergangsphase zu rufen. "Der Streit um Verbleib oder Austritt ist vorbei", sagte er bei einer Podiumsdebatte mit seinen Konkurrentinnen im Februar.
Ob es Starmer gelingen wird, die Arbeiterschaft wieder zurückzugewinnen, bleibt abzuwarten. Der gebürtige Londoner stammt als Sohn eines Werkzeugmachers und einer Krankenschwester zwar selbst aus einfachen Verhältnissen, kann aber auf eine beeindruckende Karriere als Jurist zurückblicken. Als Menschenrechtsanwalt war er ein Mitbegründer der Kanzlei Doughty Street Chambers, für die auch Staranwältin Amal Clooney, die Frau des Hollywood-Schauspielers George Clooney, tätig ist. Später leitete er die Ermittlungsbehörde Crown Prosecution Service und wurde dafür zum Ritter geschlagen./cmy/DP/nas
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