08.03.2020 16:33:42

VIRUS/GESAMT-ROUNDUP/Spahn: Wegen Coronavirus Großveranstaltungen absagen

BERLIN/ROM (dpa-AFX) - Wegen der schnellen Ausbreitung des neuen Coronavirus in Deutschland empfiehlt Gesundheitsminister Jens Spahn, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern vorerst abzusagen. Zurzeit geschehe dies aus seiner Sicht noch zu zaghaft, sagte der CDU-Politiker am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. "Angesichts der dynamischen Entwicklung der letzten Tage sollte das schnell geändert werden." Von solchen Absagen betroffen könnten unter anderem Sportveranstaltungen, Messen und Konzerte. In Italien schränkte die Regierung die Bewegungsfreiheit von rund 16 Millionen Bürgern im Norden drastisch ein: Die Menschen in der Lombardei und 14 anderen Provinzen dürfen nur noch mit triftigem Grund aus den Zonen hinaus oder in sie hinein.

Spahn sagte, oberstes Ziel sei es, die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen. "Denn je langsamer sich das Virus verbreitet, desto besser kann unser Gesundheitssystem damit umgehen."

Zum Thema Großveranstaltungen sagte Spahn: "Nach zahlreichen Gesprächen mit Verantwortlichen ermuntere ich ausdrücklich, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern bis auf weiteres abzusagen." Weiter sagte Spahn: "Ich bin mir bewusst, welche Folgen das für Bürgerinnen und Bürger oder Veranstalter hat." Darüber werde in den nächsten Tagen gesprochen. Klar sei aber, dass die Gesundheit vorgehe.

Weiter sagte Spahn: "Ich ermuntere auch jeden Einzelnen: Wägen Sie ab, was Ihnen im eigenen Alltag so wichtig ist, dass Sie darauf in den nächsten zwei bis drei Monaten nicht verzichten wollen - sei es der Clubbesuch, die Geburtstagsfeier im familiären Kreis oder die Vereinssitzung." Er vertraue darauf, dass die Bürger in diesen Zeiten kluge Entscheidungen für sich und ihre Liebsten träfen. "Denn wir schützen mit dieser Vorsicht vor allem unsere älteren und chronisch kranken Mitbürger."

Das Coronavirus Sars-CoV-2 breitet sich auch in Deutschland weiter aus. Beim RKI waren bis zum Sonntagmorgen 847 Infektionen erfasst. Das sind rund 50 Fälle mehr als am Vortag und mehr als zehnmal so viele wie noch eine Woche zuvor. Die weitaus meisten Fälle bundesweit verzeichnen Nordrhein-Westfalen (392), gefolgt von Baden-Württemberg (182) und Bayern (148).

Weltweit haben sich inzwischen mehr als 106 000 Menschen mit dem neuen Coronavirus infiziert. Eine schützende Impfung oder eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung Covid-19 gibt es nicht. Die meisten Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen, die binnen weniger Tage verschwindet, oder gar keine Symptome.

Von den drastischen Anordnungen in Italien, die zunächst bis zum 3. April gelten, sind unter anderem Mailand und Venedig betroffen. Unklar war am Sonntag noch, wie streng die Abriegelung ist: Regierungschef Giuseppe Conte sagte auch, es gebe keinen Stopp für Flüge und Züge und es handle sich auch nicht um "rote Zonen". Aber eine Fahrt müsse einen Grund haben, die Polizei könne Menschen anhalten und nachfragen. "Wir stehen vor einer nationalen Notlage", sagte der Regierungschef. Von den Sperrungen sind neben der Lombardei, dem wirtschaftlichen Herz Italiens, auch Städte wie Parma, Modena oder Padua betroffen.

Conte bestätigte überdies weitreichende Verbote, die für das ganze Land gelten. Alle Kinos, Theater, Museen, Sportclubs, Demonstrationen und viele andere Veranstaltungen müssen schließen oder fallen aus.

Italien ist der Staat in Europa mit den meisten bestätigten Sars-CoV-2-Infektionen. Die Zahl der Infizierten und Toten steigt trotz umfangreicher Gegenmaßnahmen stetig an. Bis Samstag zählten die Behörden 5883 Menschen mit einer Infektion. 233 Menschen davon sind gestorben. Am stärksten betroffen ist die Lombardei, gefolgt von der Emilia-Romagna und Venetien.

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis fordert die Regierung in Rom auf, zum Schutz vor einer Ausbreitung den Italiener Reisen ins EU-Ausland zu verbieten. Weiter sagte er dem tschechischen Fernsehsender CT, zumindest aber könnte Conte seine Bürger auffordern, nicht in andere EU-Länder zu reisen.

Der wirtschaftliche Schaden der Coronavirus-Epidemie für den Luftverkehr in Deutschland wird nach Einschätzung des Branchenverbandes BDL größere Ausmaße haben als frühere Krisen, wie Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow sagte. Auch der Reiseverband DRV verwies auf einen Umsatzeinbruch. Sowohl die Luftfahrt- als auch die Reisebranche pochen auf rasche Staatshilfen, etwa der vereinfachte Einsatz von Kurzarbeit. Die allermeisten Firmen hierzulande leiden unter den Folgen des neuartigen Virus: Jedes zweite Unternehmen erwartet 2020 nach einer Umfrage des Industrie- und Handelskammertags einen Umsatzrückgang.

Über Hilfen für betroffene Firmen wollte am Abend im Kanzleramt der schwarz-rote Koalitionsausschuss beraten. Es zeichneten sich eine frühere Abschaffung des Solidaritätszuschlags und eine Ausweitung der Kurzarbeit ab.

Angesichts von Hamsterkäufen in Deutschland mahnen die Behörden weiter zu Besonnenheit. Michael Willms, zuständig für Bevölkerungsschutz im baden-württembergischen Innenministerium, sagte: "Angesichts von Corona macht es überhaupt keinen Sinn, irgendwelche Lagerbestände anzuschaffen." Bilder von leeren Supermarktregalen suggerierten möglicherweise Versorgungsengpässe. "Die gibt es aber de facto nicht."

Deutlich zurück ging die Zahl neuer Infektionen in China. Seit dem Vortag kamen am Sonntag nur noch landesweit 44 Fälle hinzu - der geringste Wert seit Wochen. Seit Ausbruch des Coronavirus wurden in China mehr als 80 000 Infektionen registriert, von denen bislang rund 57 000 geheilt wurden.

Chinas Außenhandel ging vor dem Hintergrund der Coronavirus-Epidemie stark zurück. Insgesamt schrumpfte der Außenhandel im Januar und Februar um elf Prozent im Vergleich zu den ersten zwei Monaten des Vorjahres.

Beim Einsturz eines als Quarantäne-Unterkunft genutzten Hotels in der chinesischen Küstenstadt Quanzhou kamen mindestens zehn Menschen ums Leben. 23 Menschen wurden noch vermisst, berichtete der Staatssender CCTV. Nach dem Einsturz am Samstag wurden demnach 38 Menschen aus den Trümmern gerettet. Die Rettungsarbeiten mit Hunderten Einsatzkräften dauerten am Sonntag noch an./pky/reu/toz/DP/edh

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