19.05.2015 09:30:00

Versicherungen ächzen unter Niedrigzinsen und Regulierung

Die Niedrigzinsen und die immer schärfere Regulierung sind derzeit für die Assekuranz die größten Probleme. Dies war der Tenor einer Debatte beim Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ). Das jüngste Anziehen der Bond-Renditen wird als Strohfeuer gesehen. Bleiben die Zinsen sehr lange sehr niedrig, knabbert das die Unternehmensgewinne an, gefährdet aber nicht die Zusagen an die Versicherten.

Die gesamte Branche in Österreich könne trotz der in der Neuveranlagung mickrigen Zinsen den Garantiezins weiter verdienen und die Versprechen einhalten, das sei auch den heimischen regulatorischen Vorschriften zu verdanken, betonte Generali-Österreich-Generaldirektor Peter Thirring am Montagabend: "Die österreichische Versicherungswirtschaft ist zu hundert Prozent solide." Kämen aber wirklich negative Zinsen, würde dies das Modell der Versicherungen freilich auf den Kopf stellen. Solange die EZB die Märkte flutet, werde sich bis Ende 2016 nicht viel bewegen. Angst vor einem Kursverfall bei Anleihen hat Thirring nicht, sollten die Renditen noch stärker als zuletzt anziehen, denn im Deckungsstock seien die Bonds ohnedies zum Niederstwertprinzip, "in der UGB-Welt trifft uns das nicht."

Die deutschen Versicherer würden vergleichsweise stärker stöhnen, weil dort der durchschnittliche Rechnungszins höher sei als in Österreich. Dort seien Lebensversicherungen sehr lange zu hohen Zinsen von über vier Prozent und mit sehr langen Laufzeiten vergeben worden, sagte Wiener-Städtische-Generaldirektor Robert Lasshofer. In Österreich versuche die Branche "entlang der Höchstzinsverordnung der FMA den Rechnungszins herabzumischen", das sei sicher sinnvoll. Lasshofer geht davon aus, dass die Finanzmarktaufsicht den maximal zulässigen Satz für Neuverträge heuer ein weiteres Mal kürzen wird; voriges Jahr hatte sie schon im Sommer mit Wirkung per Anfang 2015 eine Senkung von 1,75 auf 1,5 Prozent verfügt.

Einmalerläge in der Lebensversicherung werde es in Österreich trotz der problematisch tiefen Zinsen weiterhin geben, aber nicht als "Kapitalisierungsgeschäft" wie in Deutschland, sondern zur echten Verrentung, nimmt Josef Trawöger, Chef der Österreichischen Beamtenversicherung, an. Kurz Geld zu parken, sei nicht das Ziel des Einmalerlags, da würden auch die Versicherer darauf schauen. Blicke man aber auf das Alter als biometrisches Risiko, so könnten etwa Gelder aus einer Abfertigung für die gesamte restliche Lebensdauer verrentet werden. Auch insgesamt gehörten Lebenspolizzen wieder auf ihre Wurzel zurückgeführt; es sei falsch gewesen von der Branche, die Lebensversicherung als "Vermögensvermehrungsprodukt" verkauft zu haben.

Zweite große Herausforderung für die Assekuranz stellen absehbare weitere Verschärfungen des regulatorischen Rahmens dar. Dadurch könnte die Vielfalt der Anbieter zurückgehen und sich Oligopole bilden, warnte ÖBV-Chef Trawöger. Zudem drohe eine "nicht ungefährliche" Standardisierung von Vorsorgeprodukten. Und zugleich gebe es - siehe Unisex-Tarife oder die neuen Eigenmittelvorschriften Solvency II - eine "Bestrafung" für die Übernahme von Risiken. Hinter das künftige Wirtschaftswachstum Europas und Österreichs setzte er ein Fragezeichen, ebenso hinter die Leistbarkeit von Vorsorgeprodukten angesichts der Einkommensentwicklung.

91 Prozent der vom Wirtschaftsprüfer PwC in 27 Ländern befragten Assekuranz-CEO sehen in einer "Überregulierung" die größte Bedrohung für das Wachstum der Branche, sagte Liane Hirner, Partnerin im Bereich Assurance Financial Services bei PwC Österreich, in ihrem Impulsreferat. Da sei das adäquate Maß an Regulierung offenbar noch nicht gefunden, meinte sie und verwies darauf, dass das Solvency-II-Regelwerk stattliche 5.000 A4-Seiten umfasst. Diesen Fixkostenblock zu erfüllen werde für international kleine und in Österreich mittelgroße Anbieter wie die Beamtenversicherung "schwierig werden", meinte dazu Trawöger.

75 Prozent der Zeit in Aufsichtsratssitzungen würden mit regulatorischen Fragen verbracht, so die PwC-Expertin weiter. "Ungeahnte Ausmaße" würden auch international Rechnungslegungsvorschriften annehmen, das Spezialgebiet von Hirner. Laut deutscher Bilanzpolizei sei die Komplexität solcher Vorschriften Hauptursache von Fehlern in den Jahresabschlüssen. Eventuell sei die Branche in einem Wust immer neuer Regulierungen gefangen. Die Branche sollte sich noch stärker in Brüssel einbringen, "man muss an ein richtiges umsetzbares Maß appellieren". Und vielleicht sollte sich die Branche auch mit den Regulatoren zusammensetzen, regte sie an.

Der technologische Wandel werde von 70 Prozent der CEO nicht nur als Chance, sondern auch als Bedrohung gesehen, sagte Hirner. Die Versicherungsunternehmen müssten wegen des Wettbewerbs und der Marktveränderungen ihre Modelle radikaler infrage stellen. Es gehe um ein genaueres Hinhören auf die Bedürfnisse ihrer Kunden, da könne die Digitalisierung helfen.

Gabriele Zgubic, Leiterin der Abteilung Konsumentenpolitik der AK Wien, wünscht sich vor allem Klarheit der Verbraucher über Kosten und Risiken von Versicherungspolizzen, "was kann ein Produkt und was nicht". Ein "Profiling" der Kunden, also das Clustern von Kundengruppen etwa nach dem Wohnort, sehe man "kritisch, denn das untergräbt das Solidarsystem", meinte sie. Auch gegen "Wearables" trat sie in der Podiumsdiskussion im Ringturm ein, also etwa die Koppelung von Krankenversicherungsrabatten an Gesundheits-Features wie Fitness. Wie viel Seiten Information für die von ihr geforderte Transparenz nötig seien, wird sie aus dem Publikum gefragt, ob zehn ausreichend seien oder zwanzig, oder ob es achtzig sein müssten? Eigentlich recht wenig, antwortete sie, laut der PRIIPS-Verordnung der EU (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products) reichten drei Seiten, für Fondsprodukte sogar zwei.

(Schluss) sp/itz/miw

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