Anstieg der Preise erwartet 06.06.2014 16:11:00

Verbund-Chef: Gaskraftwerke ab 2018 wieder attraktiver

Die vom Verbund eingemotteten drei Gaskraftwerke - im steirischen Mellach und zwei in Frankreich - könnten ab 2018 wieder attraktiver sein, sagte Konzernchef Wolfgang Anzengruber am Freitag. Denn ab 2017/18 werde ein Anstieg der Strom-Großhandelspreise um 30 bis 50 Prozent erwartet.

Hintergrund des Preisanstiegs werde das dann geringere Erzeugungsvolumen sein, da etwa in Deutschland der erste Teil der Atomkraftwerke vom Netz sein werde und es künftig auch einen Druck auf die Kohle-Verstromung geben werde, sagte Anzengruber im Klub der Wirtschaftspublizisten.

Die Energiewirtschaft, namentlich die E-Wirtschaft, stecke wegen "massiver planwirtschaftlicher Eingriffe" in der wahrscheinlich größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Strom-Großhandelspreise hätten sich seit 2008/09 von 70 bis 75 Euro je Megawattstunde auf 35 Euro/MWh halbiert. Zudem funktioniere das Emission-Trade-System nicht, die CO2-Preise seien seit 2005/06 von 35 auf 5,50 Euro/t abgesackt, sodass es keine Investitionsanreize zum Vermeiden von CO2 gebe. "Wir müssen wieder zurück zur Marktwirtschaft", forderte Anzengruber.

Bei der den gesamten mitteleuropäischen Strommarkt prägenden deutschen Energiewende stehe die von der neuen Regierung in Berlin erwartete Kehrtwendung noch aus. Vom neuen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel habe man sich "massive Veränderungen" erhofft, bis jetzt aber "eher nur Kosmetisches" registriert. Die deutschen Stromkunden werden bereits mit einer EEG-Umlage zur Subventionierung Erneuerbarer Energien in Höhe von 240 Euro jährlich belastet, in Österreich seien es dagegen nur 80 Euro im Jahr.

Wegen der fehlenden Wirtschaftlichkeit thermischer Stromerzeugung müssten die Energiekonzerne in ganz Europa ihre Kosten reduzieren, beim Verbund laufe das Effizienzsteigerungsprogramm recht gut, "wir werden die Ziele erreichen". Von 2013 bis 2015 sollen ja 130 Mio. Euro an Sach- und Personalkosten eingespart werden, danach will man auf 60 Mio. Euro pro Jahr einschwenken. Die Senkung des Mitarbeiterstands um 250 von derzeit rund 3.100 werde bereits bis 2016/17 erfolgt sein, so Anzengruber heute.

Mit 90 Prozent Stromerzeugung aus Wasserkraft sei der Verbund zwar "in einer relativ sehr guten Position", doch müsse auch sein Konzern Investitionen in neue Anlagen drosseln. In den letzten fünf Jahren habe man im Schnitt noch 600 bis 700 Mio. Euro dafür aufgewendet, in den kommenden fünf Jahren sind es laut Anzengruber im Schnitt nur noch 300 Mio. Euro jährlich; davon würden zwei Drittel auf den Netzausbau entfallen, also ohne Wartung der Netze.

Geografisch konzentriere sich der Verbund nur noch auf Österreich und Deutschland. Südosteuropa böte zwar gute Potenziale, aber der Rechtsrahmen sei dort fraglich. Neue Erzeugungsanlagen würden beim Verbund nur noch CO2-frei Strom produzieren, erinnerte er, also primär Wasserkraft und zusätzlich etwas Onshore-Windkraft.

Für die italienische Stromgesellschaft Sorgenia - an der der Verbund 46 Prozent hält, seine Beteiligung aber schon länger auf Null abgeschrieben hat - hofft Anzengruber letztlich auf eine Verbesserung der Situation, sodass es für sein Unternehmen "die Chance auf eine Rückführung" gebe. Zunächst soll die Sorgenia ja zunächst fast zur Gänze von ihren Gläubigerbanken übernommen werden; damit würden die Anteile der Haupteigentümer CIR und Verbund marginalisiert.

Anzengruber verwies dazu auf die derzeit in Italien diskutierte Lösung, dass die Gläubigerbanken Sorgenia-Schulden in Equity umwandeln. Bei einem solchen "Earn-Out"-Modell würde der Verbund-Anteil natürlich verwässert. Zur Sorgenia solle es "noch vor dem Sommer eine Lösung" geben, das Thema komme jetzt "in die heiße Phase". Die Verhandlungen führt die Mailänder Industrieholding CIR. In Summe hat der Verbund in Italien zirka 450 Mio. Euro abgeschrieben, allein 2013 erfolgten 396 Mio. Euro an Wertberichtigungen.

Neu engagieren möchte sich der Verbund im Feld "energienahe Dienstleistungen", etwa beim "Power Pooling". Dabei werden industrielle Verbraucher zusammengeschaltet und wie ein "virtuelles Kraftwerk" gebündelt in den Markt gestellt. In Deutschland werde kurzfristig zu- oder wegschaltbare Leistung mit 30.000 bis 50.000 Euro pro MW bewertet, sagte Anzengruber, den Surplus würden sich Industrieunternehmen und Verbund teilen. In wenigen Wochen werde man den ersten Pool zusammen haben, die Partner kämen aus der Stahl-, Papier- und Zellstoffindustrie. In Österreich gebe es ein Pool-Potenzial von 600 MW - drei Viertel von Mellach oder dreimal die Leistung des Kraftwerks Wien-Freudenau.

Laut Unternehmensberater McKinsey winke in ganz Europa bis zum Jahr 2020 aus dem Bereich "energienahe Dienstleistungen" ein Gewinnpotenzial von 10 Mrd. Euro, da wolle der Verbund dabei sein und hier in den kommenden drei Jahren 50 Mio. Euro investieren.

Die groß angelegte Endkunden-Werbekampagne mit dem Entertainer-Duo Stermann & Grissemann hat dem Verbund laut Anzengruber seit September netto 62.000 neue Verbraucher gebracht, "mehr als gedacht": Deren Zahl stieg von 260.000 auf 322.000 per Ende des 1. Quartals; angepeilt hatte der Verbund ein Plus von 20 Prozent.

Für das geplante Bundes-Energieeffizienzgesetz (EEffG) - die Begutachtungsfrist für den Entwurf ist am 1. Juni abgelaufen - verlangte der Verbund-Chef eine gründliche Überarbeitung. Das Thema sei zu wichtig, als dass man es mit einem schlechten Gesetz abhandeln könne. Den Lieferanten zur Effizienzsteigerung bei den Endkunden zu verpflichten, sei "eine Skurrilität", "ohne Konsumenten wird es hier nicht gehen".

Das Gesetz habe für ihn den Charakter eines "Geldaufbringungssystems für das Budget", kritisierte Anzengruber und erinnerte daran, dass es bereits seit dem Jahr 2000 die erhöhte Energieabgabe in Österreich gebe. Diese bringe jährlich knapp 900 Mio. Euro netto auf, zuzüglich noch 20 Prozent Umsatzsteuer, doch fehle hier der damit beabsichtigt gewesene Energieverbrauchs-Lenkungscharakter.

sp/itz/cs

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