Hohe Strompreise 17.03.2022 17:51:00

Verbund-Aktie zündet letztendlich Turbo: Verbund peilt nach Gewinnsprung für 2022 noch mehr Gewinn an

Verbund-Aktie zündet letztendlich Turbo: Verbund peilt nach Gewinnsprung für 2022 noch mehr Gewinn an

Schon voriges Jahr verdiente man etwa 40 Prozent mehr und erhöht die Ausschüttung. Als Konsequenz aus dem Ukraine-Krieg will Österreichs größter Stromkonzern den Erneuerbaren-Ausbau beschleunigen, durch eigene Investitionen und auch Zukäufe.

"Wir müssen alles tun, um weniger von fossilen Energieimporten abhängig sein", sagte Verbund-Chef Michael Strugl am Donnerstag im Bilanzpressegespräch. Es gebe daher keine Alternative zu einem beschleunigten Erneuerbaren-Ausbau. "Wir wollen massiv in diesen Ausbau investieren, brauchen aber die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür. Wir wollen noch schneller machen, brauchen aber die Hilfe der Politik und der Behörden."

Allein in das organische Wachstum will der Verbund binnen drei Jahren - von 2022 bis 2024 - knapp über 2 Mrd. Euro investieren, samt Substanzerhaltung 3 Mrd. Euro, sagte Finanzvorstand Peter F. Kollmann. 2023/24 sollen fürs Wachstum 530 Mio. Euro in die Wasserkraft fließen. Wie schon 2021 verkündet, wird die Pumpspeicheranlage am Standort Kaprun (Salzburg) ausgebaut, Limberg 3 soll mit 480 Megawatt (MW) Leistung im Jahr 2025 ans Netz gehen; in Kärnten geht es um Reißeck II Plus. Die Tochter APG steckt in den drei Jahren 830 Mio. in den Netzausbau. Denn es gebe "keine Energiewende ohne Netzwende", so Kollmann. Geplant ist zudem eine Expansion bei Windkraft, etwa in Spanien, wo zuletzt erneut ein Zukauf verkündet wurde. Bei Photovoltaik verfolgt man Projekte in Österreich - und auch in Brandenburg (Deutschland), dort sollen bis zu 1.500 MW PV entwickelt werden. Zudem will man ein Geschäftsfeld Wasserstoff aufbauen, um sich in diesem Sektor europäisch zu positionieren, sagte Strugl.

Wegen der hohen Strom-Großhandelspreise dürfe man den Kunden die Elektrizität gar nicht billiger verkaufen, auch wenn man sie selbst günstiger produziere, argumentierte der Verbund-Chef auf eine entsprechende Frage und verwies dazu auf das Wettbewerbs- und Kartellrecht sowie das Aktiengesetz. Für die diskutierten Möglichkeiten zum weiteren Abfedern der hohen Energiekosten würde er Direktzuschüsse bzw. Entlastungen bei den Abgaben präferieren. 600 Mio. Euro an Energiekostenzuschuss habe die Regierung schon fixiert, samt den Ökostromkosten-Entlastungen für heuer betrage das Volumen 1,7 Mrd. Euro. Der Verbund selbst erhöht die Strom- und -Gastarife für seine 530.000 Endkunden (Haushalt und Gewerbe) mit 1. Mai, wie seit einigen Wochen bekannt ist.

2021 wuchs das operative EBITDA des Verbund um 22,1 Prozent auf 1,579 Mrd. Euro, und der Nettogewinn kletterte um 38,3 Prozent auf 874 Mio. Euro. Entsprechend kräftig soll die Dividende angehoben werden, von 75 Cent je Aktie auf 1,05 Euro pro Anteilsschein. 2022 soll das EBITDA zwischen 2,6 Mrd. und 3,5 Mrd. Euro liegen, der Nettogewinn bei 1,4 bis 2,0 Mrd. Euro. Bezogen auf das um Einmaleffekte bereinigte Konzernergebnis 2022 von erwarteten 1,34 bis 1,94 Mrd. Euro sollen 45 bis 55 Prozent ausgeschüttet werden, für 2021 errechnen sich 45,7 Prozent. Die Umsatzerlöse wuchsen voriges Jahr um 38,5 Prozent auf 4,777 Mrd. Euro.

Die extrem hohen Strom-Großhandelspreise binden erhebliche Geldmittel des Konzerns. Grund dafür sind Sicherheitsleistungen, die für offene Positionen bei Börse-Handelsgeschäften in Cash zu erlegen sind. Auch wenn man diese Beträge nach Abschluss der Deals zurückbekommt, sind enorme Liquiditätszahlungen zu leisten, so der CFO. Hier habe man jedoch alles "sehr sorgfältig geplant" und sei "sehr gut mit Liquidität ausgestattet". Der operative Cashflow sackte von 1,18 Mrd. Euro im Jahr 2020 auf 98 Mio. Euro im abgelaufenen Jahr ab, und der freie Cashflow nach Dividende rutschte von positiven 300 Mio. Euro auf 1,33 Mrd. Euro ins Minus. Zugleich stiegen die Nettoschulden von 1,88 Mrd. auf 3,51 Mrd. Euro; Grund dafür seien vor allem kurzfristige Fremdmittelaufnahmen, "wenn die Kontrakte auslaufen kommt das Geld natürlich zurück".

Der Stromabsatz lag mit 58.896 (62.741) Gigawattstunden (GWh) deutlich unter dem Niveau von 2020. Die Wasserkraft-Erzeugung sank von 31.525 auf 29.340 GWh, in der Windkraft betrug sie 839 (924) GWh. 1.125 (1.033) GWh stammten aus Wärmekraft. Pro Tag habe man in Österreich derzeit 2.000 bis 3.000 MW Leistung aus Gaskraftwerken am Netz, sagte Strugl. Im Winter betrage der Anteil an der Verstromung meist rund 25 Prozent, im Sommer 10 Prozent. Die Anlage Mellach bei Graz läuft zur Netzstützung. PV steuerte 2 (1) GWh bei. Der Erneuerbaren-Anteil sank leicht von 96,9 auf 96,4 Prozent. Der Personalstand lag im Schnitt bei 3.184 nach 2.870.

Verbund-Chef: Dürfen Strom gar nicht billiger hergeben

Wegen der hohen Strom-Großhandelspreise darf der Verbund-Stromkonzern seinen Kunden die Elektrizität gar nicht billiger verkaufen, auch wenn man sie selbst günstiger produziert. Das betonte Verbund-Chef Michael Strugl am Donnerstag und verwies dazu auf das Wettbewerbs- und Kartellrecht sowie das Aktiengesetz. Für die diskutierten Möglichkeiten zum weiteren Abfedern der hohen Energiekosten würde Strugl Direktzuschüsse bzw. Entlastungen bei den Abgaben präferieren.

Durch die seit einigen Jahren auf Österreich beschränkte Stromhandelszone, die früher mit Deutschland gemeinsam bestand, seien die wettbewerbs- und kartellrechtlichen Sensitivitäten noch ausgeprägter geworden. Um rechtskonform vorzugehen, müsse man eine marktbasierte Preisbildung vornehmen, um nicht gegenüber anderen Marktteilnehmern einen potenziellen Missbrauchstatbestand zu setzen, erläuterte Strugl im Bilanzpressegespräch zum Diskriminierungsverbot.

Im Falle von "Kampfpreisen" wäre man sofort mit einer Wettbewerbsklage konfrontiert. Auch konzernintern müsse man dementsprechend handeln, sonst könne das als verdeckte Einlagenrückgewähr gewertet werden. Zudem verpflichte das Aktiengesetz den Vorstand, kaufmännisch vorzugehen, um nicht einen Untreuevorwurf zu rechtfertigen.

Das führe dazu, dass man aktuell mit den Haushaltskunden nichts verdiene, im Gegenteil, so der Chef des größten heimischen Stromkonzerns, der zu 51 Prozent der Republik Österreich gehört: "Die erhöhten Beschaffungspreise, zu denen wir uns auch intern beschaffen müssen, haben wir bisher noch nicht weitergegeben." Das werde man nun mit 1. Mai tun, erinnerte er - später als andere. Dann steigen die Verbund-Strom- und -Gastarife für die 530.000 Endkunden (Haushalt und Gewerbe). Für Endverbraucher erhöhen sich die monatlichen Energiekosten bei einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh Strom im Schnitt um rund 21 Euro, bei einer Menge von 15.000 kWh Gas um ca. 75 Euro, rechnete der Konzern Anfang März vor. Bei Strom liegt der Marktanteil bei 8 Prozent der Haushalte. Ende 2021 zählte man 450.000 Strom- und 80.000 Erdgaskunden.

Zu möglichen weiteren staatlichen Energiehilfen in Österreich zum Abfedern der hohen Energiekosten verwies Strugl auf die kürzlich von der EU-Kommission vorgelegte "Toolbox". Die meisten Staaten hätten von diesen Vorschlägen Gebrauch gemacht, die sich auf Direktzuschüsse oder Transferzahlungen - in Österreich der schon fixierte Energiekostenausgleich im Umfang von 600 Mio. Euro - bzw. auf allfällige Entlastungen bei Steuern und Abgaben beziehen.

Zu den Ökostromkosten habe die Regierung durch deren Wegfall für heuer schon für eine wesentliche Entlastung gesorgt, wodurch von Dezember auf Jänner die Stromkosten sogar gesunken seien. Samt den 600 Mio. Euro ergebe sich das bekannte Entlastungsvolumen von 1,7 Mrd. Euro. Markteingriffe dagegen lehne er ab, die seien sehr kritisch zu sehen - ebenso Sondersteuern, so Strugl, der auch Präsident des E-Wirtschafts-Branchenverbandes Oesterreichs Energie ist.

Hohes Strompreisniveau bindet beim Verbund erhebliche Cash-Mengen

Die extrem hohen Strom-Großhandelspreise binden erhebliche Geldmittel des Verbund-Stromkonzerns. Grund dafür sind Sicherheitsleistungen, die für offene Positionen bei Börse-Handelsgeschäften in Cash zu erlegen sind. Auch wenn man diese Beträge nach Abschluss der jeweiligen Deals zurückbekommt, sind enorme Liquiditätszahlungen zu leisten, so Finanzvorstand Peter F. Kollmann am Donnerstag im Bilanzpressegespräch.

"Je höher die Strompreise steigen, umso mehr muss ich an der Börse hinterlegen. Es gibt Schwankungen von bis zu einer Milliarde Euro", so Kollmann. Der operative Cashflow sackte von 1,18 Mrd. Euro im Jahr 2020 auf 98 Mio. Euro im abgelaufenen Jahr ab, und der freie Cashflow nach Dividende rutschte von positiven 300 Mio. Euro auf 1,33 Mrd. Euro ins Minus. Zugleich stiegen die Nettoschulden auf 3,51 Mrd. Euro, nachdem sie 2020 von 2,26 Mrd. auf 1,88 Mrd. Euro gesunken waren. Grund dafür seien vor allem kurzfristige Fremdmittelaufnahmen, "wenn die Kontrakte auslaufen kommt das Geld natürlich zurück".

Der Unterschied beim Cashflow aus der operativen Tätigkeit sei im Wesentlichen auf deutlich höhere Margining-Zahlungen für Absicherungsgeschäfte im Stromgeschäft, Working-Capital-Veränderungen sowie deutlich höhere Ertragsteuerzahlungen zurückzuführen, heißt es im Geschäftsbericht. Bei den Absicherungen geht es um Futures-Kontrakte zur Absicherung der Eigenstromproduktion, die über die Strombörse gehandelt werden.

Die Strompreisnotierungen hätten binnen kürzester Zeit "Ausschläge wie davor in 30 Jahren nicht" gezeigt, so CFO Kollmann. Mit 108 Euro pro Megawattstunde (MWh) sei am 28. Februar ein All-Time-High erreicht worden. Schon im Vorjahr sei der Verbund-Absatzpreis im Schnitt um 22,9 Prozent auf 54,8 Euro/MWh gestiegen, wobei eine Reduktion bzw. ein Anstieg des Absatzpreises um einen Euro je MWh das EBITDA um rund 25 Mio. Euro senkt oder erhöht. In Summe kletterte das operative EBITDA im Vorjahr um 22,1 Prozent auf 1,579 Mrd. Euro, heuer soll es bei 2,6 Mrd. bis 3,5 Mrd. Euro liegen.

Üblicherweise verkauft der Verbund rund 80 Prozent der Eigenerzeugung über Terminmärkte und rund 20 Prozent über Spotmärkte. Per Ende 2021 waren rund 69 Prozent der geplanten Verbund-Eigenerzeugung für das Jahr 2022 kontrahiert. "Der dabei erzielte Preis lag rund 24,2 Euro/MWh über dem im Jahr 2021 erzielten Absatzpreis", nämlich bei 79,0 Euro pro MWh, heißt es. Für 2023 lagen die bis Ende 2021 erzielten Absatzpreise dagegen mit 66,7 Euro/MWh niedriger. In einer Mark-to-Market-Betrachtung der verkauften und noch offenen Mengen lagen die Preise per 23.2. für heuer bei 120,1 Euro je MWh, für 2023 bei 128,9 Euro/MWh. Die Verbund-Eigenerzeugung beträgt 30.000 GWh im Jahr, umgerechnet 30 Mio. MWh.

Verbund-Generaldirektor Michael Strugl sprach vor Journalisten von einem "dramatischen Marktumfeld", in dem man sich bewege - alles andere als "business as usual". Die schon vorher bestehende Entwicklung mit Lieferketten-Engpässen und steigenden Rohstoff- und Energiepreisen sei durch den "Krieg vor unserer Haustür" noch einmal dramatisch verschärft worden. Man stehe mit den Menschen in der Ukraine solidarisch und leiste etwa finanzielle Hilfen über die Caritas.

Der Krieg in der Ukraine habe das Thema Versorgungssicherheit ins Zentrum gerückt. "Wir müssen alles tun, um weniger von fossilen Energieimporten abhängig sein", betonte der Verbund-Chef, der auch Präsident des E-Wirtschafts-Verbandes Oesterreichs Energie ist. Es gebe daher keine Alternative zu einem beschleunigten Erneuerbaren-Ausbau. "Wir wollen massiv in diesen Ausbau investieren, brauchen aber die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür. Wir wollen noch schneller machen, brauchen aber die Hilfe der Politik und der Behörden."

Papiere von Verbund gewannen am Donnerstag in Wien zuletzt 8,83 Prozent auf 98,00 Euro.

(APA)

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Bildquelle: Verbund,ALEXANDER KLEIN/AFP/GettyImages

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