Außer Rand und Band 08.05.2015 16:51:00

Varoufakis verwirrt Verhandlungspartner mit neuem Entwurf

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sorgt bei seinen Verhandlungspartnern in Europa erneut für Verwirrung. Der Minister hat ein Dokument mit Reformplänen und Wachstumseinschätzungen vorgelegt, die erheblich von dem abweichen, was in den letzten Tagen in Brüssel besprochen wurde.

Nach Ansicht von EU-Vertretern verkompliziert Varoufakis damit die Verhandlungen mit den Geldgebern weiter. "Es gibt kaum eine Verbindung zwischen Varoufakis' Entwurf und den laufenden Gesprächen", sagte ein EU-Vertreter. "Es wirkt wie ein gutes Programm für ein Land, das keine Finanzprobleme hat, sondern nur etwas aufholen und eine schönes Ziel für Touristen sein will."

Das 36 Seiten starke Dokument mit dem Titel "Griechenlands Erholung: Ein Entwurf", in das das Wall Street Journal Einblick hatte, hat Varoufakis auf seiner Reise durch mehrere Hauptstädte seinen Amtskollegen in Paris und Rom sowie hochrangigen Vertretern in Brüssel präsentiert, wie vier europäische Offizielle sagten.

Varoufakis wollte bei einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit seinem spanischen Amtskollegen Luis de Guindos keine Stellungnahme zu dem Entwurf abgeben. Ein Sprecher der griechischen Regierung war für einen Kommentar zunächst nicht zu erreichen.

Die linke griechische Regierung steckt derzeit in Verhandlungen mit ihren internationalen Geldgebern - dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission - über die nächste Tranche des 245 Milliarden Euro schweren Rettungspakets.

Unterschiedliche Ansichten über Einschnitte im griechischen Rentensystem und Änderungen zum Kündigungsschutz gehören zu den Streitpunkten, deretwegen die Verhandlungen ins Stocken geraten sind.

Während die Gespräche auf Expertenebene zwischen Griechenland und den Institutionen, die letzte Woche wieder angelaufen sind, mittlerweile recht konstruktiv liefen, seien die Differenzen auf bestimmten Konfliktfeldern nach wie vor groß, sagten die EU-Vertreter.

Das Papier konzentriert sich auf die Frage, wie die griechische Ökonomie wieder auf den Wachstumspfad einschwenken kann. "Vielleicht ist es Zeit, sich vorzustellen, wie ein sich erholendes Griechenland aussieht, bevor wir die derzeitige schwierige Situation lösen", heißt es darin. Dann werden zahlreiche Bereiche aufgelistet, in denen das Land Reformen plant.

Einige der Reformen stimmen mit den Verhandlungen überein - wie die Schaffung des Postens eines vollständig unabhängigen Steuerbeauftragten. In anderen Bereichen finden sich erhebliche Differenzen, beispielsweise die Einrichtung einer "Bad Bank", über die toxische Wertpapiere der griechischen Finanzinstitute abgewickelt werden sollen. "Praktischerweise wird die Finanzierung einer Bad Bank nicht thematisiert - er sagte, er würde uns die Rechnung schicken", sagte ein Offizieller.

Varoufakis' Dokument sieht für die griechische Wirtschaft ein Wachstum von nur 0,1 Prozent in diesem Jahr vor. Das ist weitaus weniger als das, was die EU-Kommission erwartet, nämlich 0,5 Prozent. In den Gesprächen in Brüssel haben die Experten aus Griechenland aber eine höhere als die von der Kommission veröffentlichte Wachstumsschätzung gefordert. Für 2016 geht das Varoufakis-Dokument nun von 2 Prozent Wachstum aus, was ebenfalls unter der Schätzung der EU-Kommission von 2,9 Prozent liegt.

"Das Problem ist, dass Varoufakis offenbar nicht auf einer Linie ist mit Ministerpräsident Alexis Tsipras", sagte ein weiterer Offizieller. Es sei nicht klar, inwiefern das Dokument die Position der Regierung widerspiegelt.

Einige Vertreter jedoch spielten die Bedeutung des Varoufakis-Entwurfs herunter und verwiesen auf eine Neuordnung des griechischen Verhandlungsteams letzte Woche, womit der Einfluss des Finanzministers gestutzt wurde. So lange dies der Falls sei, sagen sie, sei das Papier nicht von sonderlich großer Bedeutung.

Dennoch wird die Verwirrung wohl für weitere Verzögerungen bei den Verhandlungen sorgen. Dabei braucht Griechenland dringend Geld. Die nächste große Hürde ist die Rückzahlung eines Kredits über 750 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds, die am 12. Mai ansteht.

  DJG/DJN/mgo/jhe

   Dow Jones Newswires

  Von Viktoria Dendrinou

BRÜSSEL (Dow Jones)

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