07.01.2016 18:07:46
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UPDATE2/Merkel gegen sofortige Sozialleistungen für EU-Ausländer
--Merkel signalisiert Cameron Unterstützung bei Sozialhilfe für EU-Ausländer
--Cameron wirbt bei CSU für seine EU-Reformen
--Oppermann gegen Sozialhilfe im ersten Jahr
(NEU: Oppermann)
Von Christian Grimm und Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt sich gegen schnelle Sozialleistungen für EU-Ausländer, wenn sie in ein anderes EU-Land einwandern. Das sei nicht Teil der europaweiten Freizügigkeit für Arbeitskräfte, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. "Diese Intention (der Freizügigkeit) schließt nicht ein, dass man überall in Europa die gleichen Sozialleistungen vom ersten Tag bekommt", legte die CDU-Chefin nach. "Da bin auch ich der Meinung, dass es ja zumutbar ist, in sein Heimatland zurückzukehren."
Das Thema der Sozialleistungen für EU-Ausländer wird derzeit auch auf europäischer Ebene heiß diskutiert. Der britische Premier David Cameron, der am Morgen zu Gast bei der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth war, will in seinem Land die Unterstützung für Ausländer aus dem Staatenklub in den ersten vier Jahren begrenzen. Er wolle aber sichergestellt wissen, dass Sozialleistungen kein Selbstläufer seien, sagte Cameron in den bayerischen Alpen.
In Berlin bekam Merkel für ihre Haltung in dieser Frage demonstrative Unterstützung vom Koalitionspartner: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sprach sich gegen Sozialleistungen im ersten Jahr aus. "Ich meine, dass es im ersten Jahr keinen Anspruch auf Sozialhilfe geben kann", sagte Oppermann vor einer Klausurtagung der sozialdemokratischen Fraktion. Wer Arbeit finde und dann in eine Sozialversicherung einzahle, habe nach einem Jahr alle Rechte, die sich daraus ergäben. "Aber es darf nicht sein, dass sich die Einzelnen die Sozialhilfesysteme selber aussuchen."
SPD-Fraktionschef warnt vor Schaden für Europa
Allerdings deutete Oppermann ansonsten eine kritische Haltung zu Cameron an und mahnte zu einer Bewahrung Europas. "Ich glaube, dass wir im Augenblick Europa nicht weiter schwächen dürfen", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. Europa sei "unglaublich fragil" geworden, bleibe aber "unschätzbar wertvoll" für alle. "Deshalb wäre ich in jeder Hinsicht vorsichtig,", warnte Oppermann.
Der britische Ministerpräsident will die EU reformieren und glaubt, damit seine Landsleute davon überzeugen zu können, bei der geplanten Volksabstimmung gegen einen EU-Austritt des Vereinigten Königreiches zu stimmen. Für seine Reformen braucht er aber die Unterstützung der anderen EU-Länder, vor allem aber die Berlins.
Die Kanzlerin will die Briten unbedingt in der EU halten, sieht aber die lange Frist von vier Jahren kritisch. Auf völlige Ablehnung stoßen Camerons Vorstellungen dagegen bei den osteuropäischen Mitgliedstaaten. Sie sehen ihre Landsleute, die zu Hunderttausenden in den reicheren westlichen Ländern arbeiten, diskriminiert.
Ifo-Chef Sinn pflichtet Cameron bei
Die Bundesregierung ist ihrerseits durch ein Urteil des Bundessozialgerichts unter Druck geraten. Noch im alten Jahr hatten die Richter entschieden, dass jeder Ausländer aus einem EU-Land nach spätestens einem halben Jahr in Deutschland Anspruch auf Sozialhilfe hat, der den Anschein erweckt, sich um eine Arbeit zu bemühen. Geklagt hatte ein Familienvater aus Rumänien. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) arbeitet nun an einer Änderung der Vorschriften, um die Zuwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern.
Deutschlands bekanntester Ökonom, Hans-Werner Sinn, hat sich am Donnerstag ebenfalls klar für eine Übergangszeit ausgesprochen. "Wir können den Sozialstaat nicht aus purer Gesinnungsethik für die ganze Welt öffnen. Man darf keine Einwanderung in den Sozialstaat zulassen", sagte der Präsident des Münchener ifo-Instituts der Wirtschaftswoche.
Sinn verwies ausdrücklich auf Camerons Sperrzeit: "Das sollte auch die deutsche Regierung einführen." Einen möglichen Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU nannte der Wirtschaftsprofessor "verheerend".
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
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January 07, 2016 11:37 ET (16:37 GMT)
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