18.07.2016 20:20:07

UPDATE2/Ereignisse in der Türkei schlagen auf Wirtschaft durch

   --DIHK-Präsident warnt vor Unsicherheit nach Putschversuch

   --Kammer vor Ort: Noch keine direkten Folgen für Firmengeschäft

   --Wirtschaftsministerium fürchtet Schaden für den Tourismus

   --Ohoven sieht nur "wenig Anlass zur Hoffnung"

   (NEU: Ohoven)

   Von Andreas Kißler

   BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft warnt vor bereits zu beobachtenden Folgen des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei und seiner innenpolitischen Konsequenzen. "Die Ereignisse in der Türkei erhöhen die Unsicherheit auch bei den Unternehmen," sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. "Das schlägt unmittelbar auch auf die Geschäfte der deutschen Wirtschaft mit der Türkei durch."

   Die Geschäftsanbahnung werde schwieriger, denn Reisen und Delegationen würden abgesagt oder zumindest verschoben. Schweitzer erklärte, in der Wirtschaft seien bereits Folgen zu erkennen. "Die Aussichten haben sich bereits eingetrübt, ein Kapitalabfluss hat in Folge der bisherigen Entwicklungen schon eingesetzt", sagte der DIHK-Präsident.

   Damit habe sich die Kaufkraft vieler türkischer Kunden verringert. Auch wichen viele Touristen bereits auf andere Ziele aus, da die Türkei als Urlaubsziel nicht mehr als sicher eingeschätzt werde. Wichtig sei es, "dass rechtsstaatliche Prinzipien in der Türkei nun nicht aufgeweicht werden", forderte Schweitzer. Nur so könne das Vertrauen von Investoren langfristig zurück gewonnen werden.

Wirtschaftsministerium warnt vor Folgen für den Tourismus Unmittelbare wirtschaftliche Folgen sind aber nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums wie der Handelskammer vor Ort noch nicht zu beobachten. Das Wirtschaftsministerium betonte, aktuelle Daten lägen noch nicht vor, räumte aber auch Auswirkungen auf den Tourismus ein. "Uns liegen noch keine veränderten Handelszahlen vor", sagte Ministeriumssprecherin Tanja Alemany bei einer Pressekonferenz in Berlin. Natürlich habe eine unsichere Lage aber "immer Auswirkung auf den Tourismus und die Zahlen dort".

   Die Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer betonte, eine "grundsätzliche Verschlechterung der Bedingungen für die deutsche Industrie" gebe es noch nicht. "Direkte Auswirkungen auf das Tagesgeschäft der Unternehmen sind nicht erkennbar", erklärte der Geschäftsführende Vorstand Jan Nöther. Ersten Stellungnahmen der Wirtschaft zufolge gehe die Kammer "dennoch davon aus, dass die bereits zu verzeichnende Zurückhaltung hinsichtlich neuer Investitionen eher zunehmen wird."

   Der Putschversuch sei von den deutschen Unternehmen, von denen laut der Kammer in der Türkei mehr als 6.000 aktiv sind, "mit großer Erschütterung" aufgenommen worden. Die Rechtssicherheit der Investitionen sollte durch den gescheiterten Putschversuch zwar nicht berührt werden, denn das türkische Wirtschaftsrecht basiere auf europäischen Grundwerten und gelte als stabil. Jedoch dürfte die Absetzung von fast 3.000 Richtern dazu führen, dass "die Umsetzung geltenden Rechts größerer Volatilität ausgesetzt" sei, sagte Nöther zu Dow Jones Newswires.

   Der Außenhandelsverband BGA warnte vor negativen Folgen einer Abwendung der Türkei von Europa für die Wirtschaft. "Wir würden es gerne sehen, wenn es eine Annäherung an Europa gäbe, und sehen mit Sorge, dass es eher den anderen Weg geht", sagte der stellvertretende BGA-Hauptgeschäftsführer Andre Schwarz. Dies destabilisiere das Land wirtschaftlich und politisch weiter. "Als wichtiger Absatzmarkt ist es deswegen schlecht für uns."

   Auch der Mittelstandsverband BVMW warnte vor negativen Folgen der Entwicklung. "Der Putschversuch in der Türkei bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen", sagte Verbandspräsident Mario Ohoven zu Dow Jones Newswires. Das Vertrauen sei schon in der vergangenen Zeit geschwunden, vor allem wegen einer zunehmenden Islamisierung zu Lasten der Demokratie durch Präsident Recep Tayyip Erdogan.

   Auch drohe der Tourismus einzubrechen. "Hier zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung wie in Ägypten und Tunesien ab," fürchtete Ohoven. Hinzu kämen Währungsverluste und dramatische Einbrüche am Aktienmarkt. Leider gebe auch der Blick nach vorne wenig Anlass zur Hoffnung, denn Erdogan werde die Gelegenheit nutzen, um seine Macht zu festigen "Die einstige Hoffnung, die Türkei könnte der einzige islamische Staat mit demokratischer Struktur sein, ist endgültig dahin," konstatierte Ohoven.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   DJG/ank/mgo

   (END) Dow Jones Newswires

   July 18, 2016 13:44 ET (17:44 GMT)

   Copyright (c) 2016 Dow Jones & Company, Inc.- - 01 44 PM EDT 07-18-16

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!