21.02.2014 21:47:36
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UPDATE: VW greift im Lkw-Geschäft mit aller Macht durch
--VW will Scania komplett schlucken
--Übernahme könnte knapp 7 Milliarden Euro kosten
--VW sieht zusätzliche Synergien von 650 Millionen Euro jährlich
--Andreas Renschler wird neuer Lkw-Chef bei VW
(NEU: weitere Details)
Von Nico Schmidt und Markus Klausen
Europas größter Autobauer Volkswagen macht ernst und will die nur schleppend vorankommende Nutzfahrzeug-Allianz unter dem eigenen Konzern-Dach mit aller Macht vorantreiben. Mehrere Milliarden Euro werden die Wolfsburger in die Hand nehmen, um die schwedische Tochter Scania komplett zu übernehmen. Zudem soll der ehemalige Daimler-Manager Andreas Renschler kommen, um die lange geplante Lkw-Troika endlich zum Erfolg werden zu lassen.
Wie VW am Freitagabend im Anschluss an eine Aufsichtsratssitzung mitteilte, wird den Scania-Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreitet. Je A- beziehungsweise B-Aktie der Schweden bieten die Niedersachsen 200 Schwedische Kronen oder umgerechnet 22,26 Euro.
Die Offerte bewertet die Scania-Anteile, die Volkswagen noch nicht hält, mit rund 6,7 Milliarden Euro und entspricht nach Unternehmensangaben einer Prämie von 57 beziehungsweise 53,3 Prozent auf den Durchschnittskurs der vergangenen drei Monate. Die Niedersachsen waren im Jahr 2000 bei Scania eingestiegen und sind aktuell in Besitz von knapp 90 Prozent der Scania-Stimmrechte und von knapp 63 Prozent des Kapitals.
Das Wall Street Journal Deutschland hatte bereits vor einigen Wochen davon berichtet, dass VW eine Anteilsaufstockung erwägt.
Von der geplanten Komplettübernahme verspricht sich VW einiges: "Mit unserem Angebot streben wir eine nachhaltige und klare Aktionärsstruktur für Scania an", sagte Vorstandschef Martin Winterkorn. "Dies ist ein bedeutender Schritt, um die Vorteile, die der integrierte Nutzfahrzeugkonzern für alle Beteiligten bietet, vollständig realisieren zu können."
Aufgrund rechtlicher Beschränkungen zum Schutz von schwedischen Minderheitsaktionären, die VW zuletzt mehrfach dazwischengefunkt hatten, ist es VW nach eigenen Angaben in der momentanen Eigentümerstruktur nicht möglich, das volle Potenzial einer engeren Zusammenarbeit zwischen der eigenen Nutzfahrzeugsparte sowie den Töchtern MAN und Scania zu heben. VW-Patriarch Ferdinand Piech hatte die langfristigen Synergien der Lkw-Troika einst auf 1 Milliarde Euro beziffert - von denen 2014 gerade einmal 200 Millionen Euro realisiert werden, die vorrangig im Einkauf entstanden.
Das soll sich mit der angestrebten Komplettübernahme ändern. Die Hindernisse einer vertieften Zusammenarbeit sollen beseitigt, gemeinsame Projekte zügiger umgesetzt und so Einsparungen realisiert werden. VW bezifferte die durch die Komplettübernahme entstehenden zusätzlichen Positiveffekte auf mindestens 650 Millionen Euro zusätzliches operatives Ergebnis pro Jahr. Da die Produktlebenszyklen im Lkw-Geschäft allerdings deutlich länger dauern als bei Pkws, wird es nach Unternehmensangaben zehn bis 15 Jahre dauern, diese zu heben.
"Die beabsichtigte volle Integration von Scania in den Volkswagen-Konzern folgt einer überzeugenden industriellen Logik. Sie wird Leistungsfähigkeit, Effizienz und Flexibilität der Nutzfahrzeug-Gruppe mit Scania, MAN und Volkswagen Nutzfahrzeuge weiter signifikant verbessern", sagte Lkw-Vorstand Leif Oestling. Der 68-jährige Schwede, der bis 2012 langjähriger Scania-Chef war und dann im Zuge eines großen Managementumbaus nach Wolfsburg wechselte, wird die endgültige Realisierung der Lkw-Allianz allerdings nicht mehr auf der Kommandobrücke erleben.
Denn Oestling wird von dem ehemaligen Daimler-Manager Andreas Renschler abgelöst. Der langjährige Chef der Truck-Sparte der Stuttgarter hatte Ende Januar nach 25 Jahren bei Daimler die Brocken hingeworfen. Zuletzt war er Produktionschef der Pkw-Tochter Mercedes-Benz. Auf diesen Posten war er 2013 nicht ganz freiwillig verschoben worden. Hintergrund war ein Kuhhandel mit den Arbeitnehmern, durch den sich der damals angeschossene Daimler-Chef Dieter Zetsche eine weitere Amtszeit sicherte. In der Pkw-Sparte konnte Renschler nicht so frei schalten und walten wie er es wollte, da Zetsche Vorsitzender ist. Letztlich verließ Renschler das Unternehmen.
Der 55-Jährige Schwabe kann allerdings noch nicht direkt in Wolfsburg anheuern, da er von seinem alten Arbeitgeber noch gesperrt ist. Renschler soll sein neues Amt zum 1. Februar 2015 antreten. "Wir freuen uns, dass es uns (...) gelungen ist, Herrn Renschler für unser Unternehmen zu gewinnen", sagte Aufsichtsratschef Ferdinand Piech, der die Personalie dem Vernehmen nach selbst festgezurrt hatte. Er sei der Beste für den Job. Renschler sei fachlich wie menschlich ein "überzeugender Manager", sagte Winterkorn.
Renschlers designigerter Vorgänger Oestling soll nach Unternehmensangaben nach seinem Ausscheiden aus dem Vorstand eine wichtige Rolle in den Aufsichtsgremien von VW übernehmen. Laut Medienberichten stand der Schwede in Wolfsburg wegen des nur langsamen Vorankommens der Lkw-Allianz unter Druck. Sein Vorstandsvertrag wäre allerdings sowieso im kommenden Jahr ausgelaufen.
Dass VW nun durchgreift, ist nicht überraschend. Schließlich haben die Niedersachsen für einen zweistelligen Milliardenbetrag die Mehrheit an den beiden stolzen Lkw-Marken MAN und Scania übernommen, konnten die Früchte aber noch nicht wirklich ernten. Laut Konzern-Insidern hatte das berühmte Fass zum Überlaufen eine fast schon kuriose Situation im vergangenen Jahr gebracht: Nachdem ein MAN-Joint-Venture einen milliardenschweren Auftrag vom skandinavischen Militär erhalten hatte, rief die Schwester Scania ein Gericht an, um die Rechtmäßigkeit der Auftragsvergabe zu prüfen. Jetzt liegt die Order auf Eis. Im schlimmsten Falle könnte dem Volkswagen-Konzern der komplette Auftrag flöten gehen.
Piech und Winterkorn versuchten am Freitag, den Eindruck zu zerstreuen, dass Oestling wegen des nur schleppenden Vorankommens der Allianz gehen musste. Der Schwede habe selbst daran mitgearbeitet, seinen Nachfolger Renschler zu ködern, sagte Piech. Es freue ihn sehr, dass Oestling nach dem Ende seiner Vorstandstätigkeit als Aufsichtsrat weiter seine Erfahrung im Lkw-Geschäft einbringen werde. Auch Winterkorn lobte die Leistungen Oestlings.
Eine funktionierende und erfolgreiche Nutzfahrzeug-Troika gilt als einer der größten verbliebenen Träume von Strippenzieher Piech, der VW zum weltweit größten Mobilitäts-Imperium ausbauen will. Renschlers Aufgabe wird es nun sein, dem Österreicher diesen zu verwirklichen helfen. Dahinter steht eine klare Vision von Piech: 2018 wollen die Niedersachsen die unumstrittene Nummer eins in der Automobilwelt sein. 2013 bekam das 12-Marken-Imperium noch von Toyota die Rücklichter gezeigt.
Kontakt zum Autor: nico.schmidt@wsj.com
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February 21, 2014 15:16 ET (20:16 GMT)
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