30.08.2017 13:06:46
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UPDATE/Stada wirft Ex-Vorständen Compliance-Verstöße vor
-- Aufsichtsrat schlägt Nicht-Entlastung von Retzlaff, Wiedenfels, Kraft vor
-- Vorstand beantragt Vertagung der Abstimmung über Vorstand-Entlastung
-- Vorwürfe betreffen Bereich Compliance
(NEU: Rede CEO, weitere Details)
Von Stefanie Haxel
FRANKFURT (Dow Jones)--Stada wirft seinen ehemaligen Vorständen Compliance-Verstöße vor und und sorgte damit für einen Paukenschlag auf der Hauptversammlung des Arzneimittelkonzerns. Der Aufsichtsrat schlug deshalb den Aktionären die Nicht-Entlastung der 2016 amtierenden und mittlerweile ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder Helmut Retzlaff, Matthias Wiedenfels und Helmut Kraft vor. Die Vorwürfe werfen ein neues Licht auf den überraschenden und plötzlichen Abgang von Wiedenfels und Kraft Anfang Juli.
Auf der Tagesordnung der Einladung hatte die Konzernführung unter Punkt 3 noch die Entlastung vorgeschlagen.
Ab dem dritten Quartal habe der Aufsichtsrat Hinweise auf mögliche Pflichtverletzungen des langjährigen Vorstandschefs Helmut Retzlaff erhalten, der bis Sommer 2016 amtierte, später auch von CEO Matthias Wiedenfels und Finanzvorstand Helmut Kraft erhalten, sagte Aufsichtsratschef Carl-Ferdinand Oetker. Diese beträfen den Bereich Compliance.
Dabei gehe es etwa um den Abschluss von Beraterverträgen, für die keine erkennbare Gegenleistung erbracht worden sei. In einem Fall sei der Aufsichtsrat sogar über die Leistungserbringung getäuscht worden. Zum anderen habe der Wirtschaftsprüfer bestimmte Umsatztransaktionen im Zusammenhang mit einem Unternehmenserwerb in Serbien identifiziert, die er nicht einordnen konnte.
Deshalb musste die Bilanzpressekonferenz in diesem Jahr mitten im Bieterprozess für das Pharmaunternehmen verschoben werden. Über diese Geschäftsvorfälle habe der Vorstand den AR in mehrfacher Hinsicht nicht vollständig, wahrheitsgemäß und transparent, so der Verwurf.
Vertrauensbasis nicht mehr gegeben "Dabei mögen nicht sämtliche Pflichtverletzungen zu Schäden bei unserem Unternehmen geführt haben", sagte Oetker. "Dort, wo Schäden im Raum stehen, sind diese allerdings signifikant. In jedem Fall zerrütteten die Hinweise das Vertrauen in die Integrität der Herren Dr. Wiedenfels und Kraft derart, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr gewährleistet war."
Wenige Tage nach dem Scheitern der ersten Übernahmeofferte von Bain und Cinven hatten am 4. Juli CEO Wiedenfels, der den Konzern nach dem krankheitsbedingten Ausscheiden von Retzlaff im Sommer 2016 geleitet hatte, und Finanzvorstand Kraft ihren Hut genommen. An ihrer Stelle berief der Aufsichtsrat den Pharmamanager Engelbert Coster Tjeenk Willink zum Konzernchef und Bernhard Düttmann, ehemals CFO bei Lanxess und Beiersdorf, zum Finanzchef. Willink und Düttmann sind nur bis Jahresende bestellt.
Oetker verwies darauf, dass zu diesem Zeitpunkt nur "Zwischenberichte zu einer sehr komplexen und vielschichtigen, internen Untersuchung" vorgelegen hätten. Deshalb habe das Unternehmen die Aktionäre Anfang Juli noch nicht darüber informieren können. "Der Aufsichtsrat wollte eine unsachgemäße Vorverurteilung vermeiden", sagte er. Wiedenfels und Kraft hätten die Gelegenheit zur Stellungnahme zu konkreten Sachverhalten wahrgenommen, Retzlaff habe Gesprächsangebote bislang ausgeschlagen.
Erst in der vergangenen Woche hätten die Rechtsanwälte des Aufsichtsrats einen umfassenden Abschlussbericht erstattet und konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen, sagte Oetker weiter. Es handele sich also noch um ein laufendes Verfahren.
Der Aufsichtsrat sei einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass eine Entlastung nicht den Ansprüchen einer zeitgemäßen Corporate Governance entspreche. Die Mitglieder des Gremiums seien sich einig, "dass wir ein Signal setzen wollen, dass wir solche Geschäftspraktiken nicht tolerieren können", sagte Oetker.
Vorstand will mehr Zeit zur Auswertung Der Vorstand beantragte dagegen die Vertagung dieses Tagesordnungspunktes. Darüber muss nun aber die Hauptversammlung abstimmen.
Auf ihr sind am Mittwoch gut 400 Aktionäre in Frankfurt vertreten. Das ist allerdings nur gut ein Drittel der 1.200 Anteilseigner, die vor einem Jahr an der Hauptversammlung teilnahmen. Geändert haben dürfte sich auch deren Zusammensetzung: waren es 2016 noch deutlich mehr Kleinaktionäre, darunter viele Ärzte und Apotheker, so sind im Zuge der Übernahmeofferte für STADA durch die Finanzinvestoren Bain und Cinven mehr Hedgefonds eingestiegen. Nach ersten Angaben sind rund 81 Prozent des Kapitals anwesend.
Der amtierende CEO Tjeenk Willink begründete den Antrag auf Vertagung der Abstimmung über die Vorstands-Entlastung mit der knappen Zeit, die dem Vorstand für die Auswertung des umfangreichen Untersuchungsberichts zur Verfügung gestanden habe. Dieser habe erst am 25. Juli vorgelegen. Zudem sei der Vorstand in seiner ohnehin nur knappen Amtszeit nicht näher in die Untersuchungen einbezogen gewesen.
Zwar sei der Vorschlag des Aufsichtsrates nachvollziehbar. Eine "abschließende und in ihrer Tragweite ja durchaus gewichtige Bewertung des Berichtsinhalts im Sinne einer 'Nichtentlastung'" sei deshalb nicht sachgerecht", sagte der CEO.
Dies bedeute aber nicht, "die Sache 'ad acta' zu legen, sondern die Untersuchung zum Abschluss zu bringen und die notwendigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen", stellte er klar.
Die Übernahme durch Bain Capital und Cinven war im zweiten Anlauf nur knapp geglückt, sie hatten mit ihrer 5,4 Milliarden Euro schweren Offerte 63,8 Prozent der Anteile eingesammelt und damit die Mindestannahmeschwelle von 63 Prozent gerade so übertroffen.
"Kerngesundes Unternehmen mit großen Potenzial" Zur Zukunft des Bad Vilbeler Konzerns unter den neuen Eigentümern sagte Tjeenk Willink, Stada sei "ein kerngesundes Unternehmen mit großen Potenzial". Bain Capital und Cinven lobte der CEO als "erstklassige Investoren, die in Stada investieren und das Unternehmen weiter voran bringen werde, insbesondere international und durch Zukäufe."
Der im Sommer 2016 begonnene Transformationsprozess werde mit Hochdruck fortgeführt. Die Effizienzpotenziale von Stada gelte es zu heben. Damit gehe ein Kulturwandel einher.
Um den von den neuen Eigentümern angestrebten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geht es auf der Hauptversammlung noch nicht. Dafür benötigen Bain Capital und Cinven mindestens 75 Prozent Zustimmung der anwesenden Aktionäre. Bain und Cinven kontrollieren nach Abschluss der Übernahmeofferte 63,8 Prozent aller stimmberechtigen Aktien. Auch wenn auf Hauptversammlungen häufig nicht alle Stimmen vertreten sind, könnte das für einen Alleingang nicht reichen.
Kontakt zum Autor: stefanie.haxel@dowjones.com
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August 30, 2017 06:35 ET (10:35 GMT)
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