04.02.2014 16:00:31

UPDATE: Merkel gibt Erdogan keinen Zeitplan für EU-Beitritt der Türkei

   -- Merkel stellt sich weiter gegen Vollmitgliedschaft der Türkei

   -- Erdogan verlangt größere Unterstützung bei Verhandlungen

   -- Deutschland will prüfen, ob mehr syrische Flüchtlinge aufgenommen werden können

   Von Christian Grimm und Susann Kreutzmann

   BERLIN--Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verwehrt der Türkei weiter einen konkreten Zeitplan für eine EU-Mitgliedschaft des Landes. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem türkischen Ministerpräsidenten, Recep Tayyip Erdogan, sagte Merkel, die Beitrittsverhandlungen würden "ergebnisoffen und nicht zeitlich befristet" geführt. "Es ist aber kein Geheimnis, dass ich einer Vollmitgliedschaft skeptisch gegenüberstehe", schränkte die Kanzlerin ein. Sie bevorzugt das Modell einer privilegierten Partnerschaft für Ankara. Beide Spitzenpolitiker ließen erkennen, dass demnächst weitere wichtige Kapitel der Beitrittsverhandlungen geöffnet werden könnten. Dabei handelt es sich um die sensiblen Bereiche Justiz und Menschenrechte.

   Die CDU-Chefin machte deutlich, dass sie mit dem Vorgehen Erdogans in der Korruptionsaffäre nicht einverstanden ist. "Die Türkei muss zeigen, dass die Reformen der letzten Jahre Bestand haben", verlangte Merkel. Erdogan hatte hunderte Polizisten und Staatsanwälte versetzt oder entlassen, nachdem sie Ermittlungen im Korruptionsskandal aufgenommen hatten. Auch der Sohn des Ministerpräsidenten gehört zu den Verdächtigen.

   Bereits am Vormittag hatte der türkische Regierungschef bei einer Rede mehr Unterstützung von Deutschland für die EU-Beitrittsverhandlungen verlangt. "Unsere Kooperation und Zusammenarbeit müssen wir ausbauen", sagte Erdogan bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er verwies darauf, dass eine Aufnahme der Türkei in die EU für den regionalen Frieden in der Region von besonderer Bedeutung sein werde. Die Türkei habe gute Verbindungen in Krisenregionen wie dem Nahen Osten und dem Kaukasus. Erdogan hat derzeit in der Heimat keinen leichten Stand, weil ihm Korruption, brutales Vorgehen gegen Demonstranten und die Manipulierung der Justiz vorgehalten werden.

   Beide Regierungschefs haben sich bei ihrem Arbeitsessen auch über die verfahrene Lage in Syrien unterhalten. Erdogan beklagte nach dem Scheitern der jüngsten Konferenz in der Schweiz mangelnde internationale Unterstützung. "Wie kann die Welt dabei zusehen wie bei einem Fußballspiel, wenn 160.000 Menschen umgebracht werden", sagte er. Die Türkei hat 700.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen und dafür nach eigenen Angaben bisher 2,5 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Die Bundeskanzlerin räumte ein, dass Deutschland mit 28.000 bisher nur relativ wenigen Syrern Asyl bietet. Deshalb solle noch einmal geprüft werden, ob Deutschland mehr tun könne. Beide Politiker waren sich einig, dass im UN-Sicherheitsrat und insbesondere bei Russland der Schlüssel für eine Befriedung des Bürgerkriegslandes liege.

   Mehr Einsatz von Deutschland wünschte sich der Gast aus Ankara auch in Wirtschaftsfragen. "Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Türkei. Wir wünschen uns mehr Unterstützung von deutscher Seite bei Investitionen", betonte Erdogan. Besonders die Energieversorgung sei hierfür ein wichtiger Wirtschaftszweig. Angesprochen auf die jüngste Währungskrise, sagte der früher gefeierte Wirtschaftsreformer, dass er die deutliche Zinserhöhung der Zentralbank ablehne: "Ich bin gegen eine Anhebung der Zinsen. Aber die Zentralbank ist unabhängig und deshalb muss ich ihre Entscheidung akzeptieren." Die Notenbank versucht derzeit mit beherztem Eingreifen den weiteren Abfluss von Kapital zu verhindern, um den Sturz der Lira zu bremsen. Höhere Zinsen könnten allerdings auch das Wachstum des Schwellenlandes bremsen.

   Der Premier will seinen Deutschlandbesuch gleichzeitig dazu nutzen, um Wahlkampf für sich und seine Partei AKP zu machen. In Deutschland leben rund 1,5 Millionen türkische Staatsbürger, deren Stimmen Erdogan sich sichern will. Bei den Präsidentschaftswahlen im Sommer sind sie erstmals stimmberechtigt. Erdogan wird am Nachmittag im Berliner Tempodrom vor 4.000 Anhängern sprechen. Bei einer Rede in Köln 2010 hatte er einen Eklat produziert, als er die Anpassung an die deutsche Gesellschaft ein Verbrechen nannte.

   Gefragt, ob er das Thema wieder aufgreifen wolle, wich Erdogan aus. Es gehe um die Integration der Türken in Deutschland, was etwas anderes sei als Assimilation. Merkel sprang ihm an dieser Stelle bei: "Ich glaube, darüber sind wir hinweg. Integration ist keine Einbahnstraße." Deutschland schätze unterschiedliche Einflüsse auf die Gesellschaft, sagte die Bundeskanzlerin.

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

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