14.08.2015 18:10:46
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UPDATE/Euro-Finanzminister wollen Griechenland-Hilfen beschließen
-- Schäuble vor Sitzung der Eurogruppe zuversichtlich
-- Finanzminister reden über Kredit von 86 Milliarden Euro
-- Berlin verlangt Bekenntnis des IWF zu Hilfsprogramm
-- Dijsselbloem rechnet mit langer Sitzung in Brüssel
(NEU: mehr Schäuble, Stubb, Wansleben, Hintergrund)
Von Andreas Kißler
BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)--Nach kritischen Tönen im Vorfeld wirken die Euro-Finanzminister entschlossen, noch am Freitag neue Finanzhilfen für Griechenland von bis zu 86 Milliarden Euro zu billigen. Voraussetzung soll aber ein Bekenntnis des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu den mit Athen ausgehandelten Bedingungen für die Hilfen sein, auf dem vor allem Deutschland besteht.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) demonstrierte kurz vor dem Beginn einer Sondersitzung der Eurogruppe in Brüssel ausdrücklich Optimismus. "Ich bin eigentlich ganz zuversichtlich, dass wir heute zu einem Ergebnis kommen werden", sagte Schäuble zu Journalisten bei seinem Eintreffen und fügte an: "Die Vorbereitungen sind ja ganz gut vorangekommen."
Deutschland will bei dem Treffen laut Schäuble darauf achten, dass die zur Diskussion stehende Programmvereinbarung den Beschlüssen des jüngsten Euro-Gipfels zur Griechenlandhilfe entspricht. Er kündigte dies aber nur abstrakt an, ohne Details zu nennen. Die Eurogruppe will bei ihrer Sitzung über die Bedingungen der geplanten Hilfen für Athen sprechen.
Schäuble deutet Kompromissbereitschaft an
Ausdrücklich bestand der Bundesfinanzminister auf einem Bekenntnis des IWF zu dem Programm. "Dann müssen wir schauen, dass wir ein klares Commitment, ein möglichst verbindliches Commitment des IWF haben", sagte er. "Das ist für uns Voraussetzung." Dass dies erreichbar sein müsse, sei immer so gesagt worden.
Schäuble ließ in dieser Frage aber auch Kompromissbereitschaft erkennen. "Natürlich hat der IWF seine eigenen Regeln, aber wir werden da einen Weg finden müssen." Finde man keine Lösung, werde es eine weitere Brückenfinanzierung geben. "Wir werden also in jedem Fall irgend eine aufgeregte Situation kommende Woche mit den fälligen griechischen Zahlungen vermeiden können," hob er hervor.
Unter anderem werde man auch "über die Höhe der einzelnen Zahlungsbeiträge diskutieren müssen", sagte Schäuble weiter. Zudem wolle man von Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos hören, was in Griechenland bis zur ersten Überprüfung umgesetzt werden solle, nachdem ja die Vertrauensfrage angekündigt worden sei. "Aber ich glaube eigentlich, dass wir auch am Ende dieses Tages ein Ergebnis haben werden."
Dijsselbloem rechnet mit langer Sitzung
Der finnische Finanzminister Alexander Stubb erwartete ebenfalls eine Einigung am Freitag. "Ich wäre sehr überrascht, wenn wir heute keine Vereinbarung erreichten", betonte er. "Ich bin optimistisch." Es müsse noch über einige Fragen gesprochen werden, vor allem die Beteiligung des IWF, aber auch die Höhe der ersten Zahlung und den Zeitplan der Finanzierung. "Wir glauben fest, dass der IWF ab Oktober in der einen oder anderen Weise beteiligt sein sollte", sagte Stubb und forderte, angesichts widerstreitender Haltungen von IWF und einiger Euro-Länder müsse man "offen und ehrlich" sein. "Irgend eine Art von Lösung wird gefunden werden müssen."
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem kündigte an, das heutige Treffen werde "kein kurzes" sein. Die Schuldentragfähigkeit Athens sei "immer noch ein Punkt wesentlicher Besorgnis", besonders für den IWF. Der IWF und die Finanzminister würden diese Frage im Oktober überprüfen, "sodass der IWF im Oktober an Bord kommen kann", erklärte der niederländische Finanzminister. "Das ist für uns sehr wichtig." Deutschland hatte bereits im Vorfeld darauf bestanden, dass der IWF an Bord bleibt.
Frankreichs Finanzminister Michel Sapin verlangte, bei der Sitzung müsse eine Entscheidung getroffen werden, um die Hilfen zu ermöglichen. "Unser Kalender sieht vor, heute das dritte Hilfsprogramm in Gang zu setzen." Griechenland habe seine politische Verantwortung demonstriert. Sein Luxemburger Amtskollege Pierre Gramegna betonte, nach einer Vereinbarung des dritten Hilfspakets habe man "einige Wochen" Zeit, um über Schuldenerleichterungen zu reden. "In den letzten vier Wochen ist mehr geschehen als in den letzten sechs Monaten", lobte auch er Athen.
Fuchs besteht auf Beteiligung des IWF
Sprecher der Bundesregierung hatten noch am Freitagvormittag erneut auf einer Beteiligung des IWF an einem neuen Hilfspaket bestanden. "Die Beteiligung des IWFs ist für die Bundesregierung entscheidend", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz. "In diesem Sinne wird der Bundesfinanzminister heute Nachmittag verhandeln."
Zuvor hatte die Union bereits im Ringen um das dritte Hilfspaket strikt eine Beteiligung des IWF gefordert. Zentraler Punkt der Verhandlungen heute sei die Teilnahme des IWF "und zwar komplett an dem Programm", sagte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs im Deutschlandfunk. Der IWF müsse sich mit allen Maßnahmen im Hilfsprogramm einverstanden erklären. "Wenn es nicht gelingt, den IWF an Bord zu holen, dann wird Wolfgang Schäuble wohl heute nicht zustimmen," erklärte der CDU-Politiker.
Der IWF will Schuldenerleichterungen für Athen, weil seine Regularien Kredite für ein Land nur bei dessen ausreichender Schuldentragfähigkeit gestatten. Deutschland und andere Euro-Länder bestehen aber darauf, dass die EU-Verträge keinen Schnitt der nominal ausstehenden Schulden zulassen. Ein Kompromiss soll nun darin bestehen, eine weitere Restrukturierung der griechischen Schulden anzugehen, wenn Athen Reformen umsetzt. Dies könnte die zins- und tilgungsfreien Zeiten ebenso betreffen wie die Dauer der Tilgung und das Zinsniveau. Manche Unions-Abgeordnete sehen darin allerdings einen Schuldenschnitt durch die Hintertür, den sie ablehnen.
Athen braucht bis zu 86 Milliarden Euro
Griechenland braucht laut den neuesten Schätzungen seiner Geldgeber bis Ende Oktober möglicherweise bis zu 41 Milliarden Euro frischen Kredit, um seine Schulden zu bedienen und den Bankensektor zu rekapitalisieren. Diese Summe nennen die Institutionen - die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB), der Euro-Rettungsschirm ESM und der IWF - in ihrer Finanzbedarfsschätzung für das dritte Griechenland-Hilfsprogramm, in die Dow Jones Newswires Einblick hatte.
Der gesamte griechische Finanzbedarf wird in dem Papier, über das die Finanzminister der Eurogruppe in ihrer Sitzung beraten, für drei Jahre auf "bis zu 86 Milliarden Euro" beziffert. Die Institutionen raten darin zu der Auszahlung von 25 Milliarden Euro für die Bankenrekapitalisierung und 16 Milliarden Euro vornehmlich für Schuldentilgung und Zinsen bis Ende Oktober. Berlin fordert aber, die Auszahlung Zug um Zug gegen Reformen vorzunehmen. Als eine Option ist deshalb vorgesehen, bei Annahme des ESM-Programms zunächst nur rund 13 Milliarden Euro freizugeben.
In einer Analyse der griechischen Schuldentragfähigkeit beurteilen Kommission, EZB und ESM die künftige Verschuldung Griechenlands inzwischen wesentlich pessimistischer als bisher. Es gebe "ernste Sorgen" über die Schuldentragfähigkeit, heißt es in dem Dokument. Selbst wenn Athen das geplante Reformprogramm umsetze, dürfte die Verschuldung im Jahr 2022 nach der jüngsten Berechnung bei 159,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen. Ursprünglich sollte sie bis dahin auf unter 110 Prozent sinken. Dieses Niveau wurde damals auch in Aussicht gestellt, um den IWF an Bord zu halten.
Deutsche sollen gegenüber Athen keine Besserwisser sein
Kommt es am Freitag zu einer Einigung über die Hilfen, wird der Bundestag wohl kommende Woche darüber abstimmen. Bundestagspräsident Lammert stimmte die Abgeordneten vorsorglich schon auf Mitte nächster Woche als Termin für eine Sondersitzung ein. Dienstag oder Mittwoch nannte der CDU-Politiker in einem Schreiben als mögliche Sitzungstage, wie Dow Jones Newswires aus Parlamentskreisen bestätigt wurde.
Die Fraktionen könnten dann am Montag zu Beratungssitzungen zusammenkommen und frühestens am Dienstag über das Paket abstimmen. Die Zeit drängt, denn bis zum 20. August muss Athen 3,2 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen.
Die deutsche Wirtschaft hat bereits ihre Unterstützung für eine Einigung mit Athen signalisiert. "Wir Deutschen sollten nicht die Position der Besserwisser einnehmen", mahnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit Dow Jones Newswires. Darin forderte er eine "Entwicklungsperspektive" für Griechenland. "Deswegen setzen wir darauf, dass der nächste Schritt getan wird", sagte Wansleben.
(Mitarbeit: Stefan Lange)
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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August 14, 2015 11:38 ET (15:38 GMT)
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