04.04.2022 12:29:00
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Teuerung - Lohnverhandlungen unter schwierigen Vorzeichen
"Die Preise steigen auf breiter Front", sagte Agenda Austria-Ökonomin Heike Lehner am Montag laut einer Aussendung. Neben Sprit und Energie hätten sich auch Lebensmittel heuer kräftig verteuert. Außerdem seien die Preise für neue und gebrauchte Fahrzeuge gestiegen, Instandhaltungen und Reparaturen von Wohnungen würden nun ebenfalls mehr kosten.
Für 79 Prozent der Waren, die für die Inflationsmessung im Österreich herangezogen werden, lag die Teuerung im Februar über 2 Prozent, rechnete die Agenda Austria vor. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich ein Inflationsziel von 2 Prozent gesetzt. Mit anderen Worten: 8 von 10 Güter haben sich im Februar stärker verteuert als von der EZB beabsichtigt. Die Agenda Austria plädiert deshalb für eine Änderung der Geldpolitik der EZB. "Bestenfalls beendet sie nicht nur den Ankauf von Staatsschulden schneller als geplant, sondern leitet bereits parallel dazu die Zinswende ein", sagte Lehner.
Die Teuerung treffe dabei besonders jene, die ohnehin schon schwer über die Runden kommen, sagte Nina-Sophie Fritsch von der Wirtschaftsuniversität Wien in einer Aussendung von "Diskurs - Das Wissenschaftsnetz". Dabei gehe es vor allem um Menschen mit niedrigem Einkommen und Menschen, die von Arbeitslosenunterstützung oder anderen Sozialleistungen anhängig sind. Die Gefahr, unter die Armutsgrenze zu fallen, sei besonders hoch für Frauen, Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Menschen mit geringer Bildung, in atypischen Beschäftigungsverhältnissen oder mit Migrationshintergrund.
Rund 15 Prozent der Beschäftigten in Österreich würden aus ihrer Arbeit lediglich einen Niedriglohn beziehen, schrieb "Diskurs". Von den Frauen seien gar 22 Prozent, also jede Fünfte, Geringverdienerinnen. Diese Menschen gehören zu den sogenannten "Working Poor", sie sind also arm, obwohl sie arbeiten.
Bereits in den vergangen 2 Jahren sei der finanzielle Druck auf die Haushalte durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit während der Coronapandemie rasant angestiegen. Die Teuerung verschärfe Armutsrisiken und Ungleichheit nun weiter, so Fritsch. Deshalb sei es neben generellen Teuerungsausgleichen notwendig, auch bei Niedriglöhnen und Armutsrisiken anzusetzen und die Gesellschaft so "widerstandsfähiger" gegen Preissprünge zu machen.
Vor diesem Hintergrund startet die Elektroindustrie heute in die nächste Runde ihrer Kollektivvertragsverhandlungen. Die Gewerkschaft fordert sechs Prozent mehr Lohn für die rund 67.000 Beschäftigten. Für die Arbeitgeberseite ist die Forderung "mehr als heftig". Auch die Papierindustrie hatte sechs Prozent mehr Lohn gefordert, die Arbeitgeber waren daraufhin vom Verhandlungstisch aufgestanden.
Als Basis für die Gehaltsverhandlungen dienen traditionell die Inflation der zurückliegenden 12 Monate und die Produktionssteigerung. Benjamin Bittschi vom WIFO sieht in der Gewerkschaftsforderung nicht die Gefahr einer weiteren Beschleunigung der Inflation: In den sechs Prozent sei die Inflation des vergangen Jahres von 3,5 Prozent enthalten, die übrigen 2,5 Prozent sollten "irgendwie mit wirtschaftlicher Performance der Elektroindustrie erklärbar sein", sagte er am Montag im Ö1-Morgenjournal. Die Löhne würde sich bisher nicht in der Inflation widerspiegeln. Sollte es dazu kommen, gebe es aber immer noch geldpolitische Mittel um die Teuerung zu dämpfen, beispielsweise über die Zinssätze.
Die Frühjahrsrunde der Industrie betrifft rund 130.000 Beschäftigte und umfasst neben der Elektroindustrie auch die Textilindustrie, die chemische Industrie, die Papierindustrie sowie die Glasindustrie. Einige Branchen haben heuer bereits abgeschlossen, wobei die Seilbahnwirtschaft mit einem Anstieg der Kollektivvertragslöhne um 4,5 Prozent führend war. Die meisten anderen Kollektivverträge lagen bei einem Plus von 3,1 bis 3,9 Prozent brutto.
cgh/tsk
WEB https://www.agenda-austria.at/
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