20.11.2015 21:07:37
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Südwest Presse: LEITARTIKEL · TERROR
Von Ulrich Becker Eine Woche liegen die Anschläge von Paris nun zurück. Eine Woche, die Europa verändert hat. In bisher nie gekannter Weise ist der alte Kontinent vom Terror überrollt worden. Frauen, Männer, Kinder starben in einem infernalischen Kugelhagel. Die islamistischen Angreifer wählten ihre Ziele mit Bedacht, ihre Opfer aber waren zufällig: Menschen, die an einem Freitagabend einfach das Leben lebten, so wie wir es verstehen. 130 Tote - niemand stellt in Frage, dass Frankreich angesichts dieses Massakers nach Vergeltung ruft. Und niemand in Europa kann und darf sich dem Aufruf der Franzosen entziehen, in Solidarität zu unseren Nachbarn zu stehen. Die Schergen des IS greifen nicht nur das Gesellschaftsmodell Europas an. Sie spielen zudem ein mörderisches Spiel mit unserer Fähigkeit, diesem Wahnsinn entgegenzutreten. Jede weitere zögerliche Diskussion über die Frage, wie und wann Europa und seine Verbündeten endlich handeln, lässt das Kalkül der Terroristen aufgehen: Angst schüren und zugleich politische Verunsicherung säen. Es beweist in den Augen der IS-Ideologen ihre Annahme, dass die demokratischen Systeme des Westens zu schwach sind, um sich dem Terrorangriff entgegenzustellen und die Krise zu meistern. So verständlich dabei der Reflex des französischen Präsidenten François Hollande ist, wenn er seinen Landsleuten einen Tag nach dem Attentat zuruft "Wir sind im Krieg" - auch er spielt den Tätern in die Hände. Die Anerkennung als Kriegsgegner hebt eine zusammengewürfelte Mörderbande ohne eigenes Land und eigenes Volk auf die Ebene einer souveränen Nation, die ihr nicht zusteht - die sie aber durch ihren Feldzug im Irak und in Syrien unbedingt erreichen will. Die Lösung, wie mit dem IS umzugehen ist, lieferte ausgerechnet ein hoher islamischer Geistlicher. In der Nachrichtenflut der vergangenen Tage ging nahezu unter, was die höchste religiöse Instanz der Sunniten, der Leiter der islamischen Al-Azhar-Universität in Kairo, Imam Ahmed al-Tayyeb, zu den Anschlägen sagte: "Solche Taten laufen allen religiösen, humanitären und zivilisierten Prinzipien zuwider", die Welt müsse sich "einen, um diesem Monster entgegenzutreten". Monster verstehen weder die Sprache der Diplomatie, noch besitzen sie ein rationales Ziel. Sie wollen nur zerstören - und müssen am Ende zerstört werden. Nicht mehr und nicht weniger ist jetzt die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, auch unter deutscher Beteiligung. Aber aus diesem notwendigen Schritt muss ein moralischer Anker erwachsen, der weiter trägt als Rache oder Vergeltung: Kein Anschlag, keine Tat, mag sie auch noch so grausam sein, darf an den europäischen Grundwerten rütteln. Und das bedeutet nicht nur das Festhalten an einer freien Lebensweise. Es heißt auch, dass jedem Andersdenkenden, gleich welcher Religion und Herkunft, diese Grundrechte uneingeschränkt zustehen. Europa muss sich nach den Ereignissen von Paris auf einen langen, geduldigen Kampf gegen die Symptome und Ursachen des Terrors einstellen. Er wird vermutlich noch mehrfach durch Anschläge oder Anschlagsversuche auf die Probe gestellt werden. Die Versuchung, es dabei dem Gegner jedes Mal mit gleicher Münze heimzahlen zu wollen, ist groß. Doch das allein wird langfristig keinen Erfolg zeitigen. Die stärkste Waffe ist Beharrlichkeit und ein selbstbewusstes Eintreten für die Werte einer freien Gesellschaft. Wenn es sein muss mit Härte, aber immer mit einer Haltung - im Inneren wie Äußeren. Monster verstehen nicht die Sprache der Diplomatie
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Pressekontakt: Südwest Presse Ulrike Sosalla Telefon: 0731/156218
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