29.05.2015 20:47:38
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Südwest Presse: LEITARTIKEL · FORSCHUNG
Jugend forscht"-Erfinder Henri Nannen hatte eine Fünf in Mathe. 1965 rief der damalige Chefredakteur des Nachrichtenmagzins "Stern" den Bundeswettbewerb ins Leben. "Als Nachholbedarf in eigener Sache sozusagen", wie er später sagte. Seither werden unter den 15- bis 21-jährigen Teilnehmern jährlich Preise an die vergeben, deren Antworten auf naturwissenschaftliche, technische oder mathematische Fragen herausragen. Heute findet die 50. Preisverleihung statt. In Ludwigshafen wird auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka sein. Wie vom 1996 verstorbenen Nannen angedacht, hat der Wettbewerb sich zu einer Talentschmiede entwickelt. Neun von zehn erfolgreichen Teilnehmern studieren laut der "Jugend forscht"-Internetseite später ein naturwissenschaftlich-technisches, mathematisches oder medizinisches Fach. Im Anschluss arbeitet etwa die Hälfte der einstigen Bundessieger im Bereich Forschung und Entwicklung. Ministerin Wanka wird also begeisterte Jungforscher treffen. Die CDU-Politikerin wird ihnen sagen, dass sie ihren Enthusiasmus bewahren sollen und sie wird wissen, dass sich dazu einiges an den deutschen Hochschulen ändern muss. Denn die derzeitigen Arbeitsbedingungen nähren in vielen Nachwuchswissenschaftlern eher den Frust. Warum? Die Gesetze ermöglichen große Spielräume, um Hochschulmitarbeiter unterhalb der Professur immer wieder aufs Neue befristet zu beschäftigen - im Extremfall 25 Jahre lang, wie der Professor für Arbeitsrecht, Ulrich Preis, für Nordrhein-Westfalen ermittelt hat. In anderen Bundesländern kann das schon wieder anders sein, weil die Vorgaben des Bundes im Wissenschafts-Zeitvertragsgesetz (WissZeitVG), Regelungen der Länder und Lösungen einzelner Hochschulen ein Wirrwarr an Karrierewegen hervorgebracht haben. Der Wissenschaftsrat, das zentrale wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland, kommt in einer Analyse 2014 zum Schluss, dass diese Vielfalt "schwer zu durchdringen und international kaum zu vermitteln ist". Eines sei aber offensichtlich: Die Arbeitsbedingungen für junge Forscher seien oft unattraktiv. Mehr als 80 Prozent sitzen auf wackeligen Stühlen. Dieses Problem hat sich durch die wachsende Abhängigkeit der Hochschulen vom befristet fließenden Geld aus Drittmittel-Projekten oder Programmen wie der Exzellenzinitiative verschärft. Durch sie sind zwar viele neue Stellen für junge Wissenschaftler entstanden, aber eben nicht die Zahl unbefristeter Posten, auf die heutige Doktoranden morgen wechseln könnten.
Ministerin Wanka weiß um das Problem, genauso ihre Kollegin Theresia Bauer (Grüne) in Baden-Württemberg. Bauer hat mit dem neuen Landeshochschulgesetz 2014 einen positiven Schritt getan. Es zielt etwa darauf ab, Juniorprofessoren, die sich bewähren, wirklich eine unbefristete Stelle anbieten zu können. Aber das reicht nicht. Um das Problem zu lösen, bedarf es Anstrengungen aller Länder und des Bundes. Die Grundfinanzierung muss weiter gestärkt und Hochschulkarrieren verlässlicher organisiert werden. Wanka hat angekündigt das WissZeitVG zu ändern, damit Befristungen schwerer möglich sind. Ab 2017 soll im Zuge einer Bund-Länder-Initiative eine Milliarde Euro mehr fließen, um dauerhafte Stellen zu schaffen. Doch die Details sind unklar. Für die "Jugend forscht"-Talente kann man sich nur wünschen, dass Wanka es gelingt, mit den Ländern ein schlüssiges Förderkonzept für die jungen Wissenschaftler in Deutschland zu entwickeln.
Die meisten jungen
Forscher sitzen auf wackeligen Stühlen
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Pressekontakt: Südwest Presse Ulrike Sosalla Telefon: 0731/156218
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