06.10.2021 12:33:00

Steuerreform: AK sieht "unnötiges Milliardengeschenk" an große Firmen

Die Arbeiterkammer (AK) hat zum vierten Mal ihren "Wohlstandsbericht" veröffentlicht, mit dem sie einen zur Messung von Wohlstand und Wohlergehen in Österreich beitragen will. Die aktuelle Bewertung fällt zwar etwas besser aus als jene des Vorjahres kurz nach Beginn der Coronakrise. Das Vorkrisenniveau ist aber noch nicht wieder erreicht. Bei der Präsentation wurde im Zusammenhang mit Wohlstandszielen nicht mit Kritik an der "ökosozialen Steuerreform" gespart.

"Größtes Manko" der geplanten Reform ist für AK-Chefökonom Markus Marterbauer, "dass es wieder nicht gelungen ist, das Thema der Erbschafts- und Vermögenssteuern anzugehen", wie er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien sagte. Selbiges gelte für "progressive Abgaben auf Spitzeneinkommen". Der Familienbonus würde Familien, die ihn tatsächlich bräuchten, "nicht helfen". "Eigentlich ist die Steuerreform nur der tendenzielle Ausgleich der kalten Progression für Arbeitnehmer und ein unnötiges Milliarden-Steuergeschenk an große Unternehmen", kritisierte Marterbauer.

"Fragezeichen" der Steuerreform sei, was an Budgetmitteln übrig bleibe, "um dringenden Investitionen in Pflege, Kindergärten, Schulen, Armutsbekämpfung und Klimaschutz zu tätigen", so der AK-Ökonom. "Alleine die KöSt-Senkung für Unternehmen könnte die Armut halbieren."

Die Senkung der Körperschaftssteuer (KöSt) bringt Unternehmen rund 800 Mio. Euro. "Die Effekte daraus sind gering. Es gäbe bessere Wege, die Mittel einzusetzen", sagte Marterbauer. Auf die Frage danach, wie das Geld besser eingesetzt wäre, sagte er, dass etwa die Sozialhilfe wieder zu einer bedarfsorientierten Mindestsicherung gemacht werden könne. Aber auch soziale und Gesundheitsvorsorge-bezogene Sachleistungen für Kinder aus bildungsfernen Haushalten würde mittelfristig helfen, um armutsgefährdeten Kindern Chancen zu ermöglichen und zu verhindern, dass sie ein Leben lang sozial schlechter gestellt blieben.

Die Steuerreduktion in der zweiten und dritten Tarifstufe und die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge "hilft natürlich", sagte Marterbauer. "Aber das gewählte Instrument ist schlecht ausgewählt." Die Lohnverrechnung in Firmen würde verkompliziert und die Abschmelzung des Krankenversicherungsbeitrags bedeute auch einen höheren Aufwand in der staatlichen Verwaltung. Marterbauer gab grundsätzlich auch zu bedenken, dass die Mittel für andere Leistungen - etwa soziale Sachleistungen - geringer würden, wenn es immer nur um Steuersenkungen gehe; die Senkung der Abgabequote sei ideologisch bedingt, spielte er auf die große Regierungspartei ÖVP an.

Der Ökobonus habe eine positive Verteilungswirkung "auch wenn man regional diskutieren kann", sagte Marterbauer. Auch Silvia Hruška-Frank von der AK-Sozialpolitik lobte beim Ökobonus, dass er eine soziale Dimension in der CO2-Bepreisung adressiere. In Städten und hier vor allem in Wien brauche es aber noch Änderungen. Unbedingt müssten aber Vermieter einbezogen werden. "Denn Mieter haben keine Möglichkeit, das Heizsystem zu ändern."

"Für uns ist Wohlstand das Ziel der Wirtschaftspolitik, nicht das Wirtschaftswachstum", sagte Marterbauer zum Wohlstandsbericht. Darin bewertet werden insgesamt 30 Indikatoren aus fünf übergeordneten Zielen wie etwa Lebensqualität oder ökonomische Stabilität.

Lediglich zehn der 30 Indikatoren werden aktuell positiv bewertet, voriges Jahr waren es überhaupt nur acht. Im Gegensatz zum Vorjahr gibt es zumindest bei zwei der fünf übergeordneten Ziele einen leichten Fortschritt. Diese sind "Lebensqualität" und "Intakte Umwelt", hieß es bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Das weitere übergeordnete Ziel "Vollbeschäftigung und gute Arbeit" schneidet heuer zwar besser ab als 2020, liegt aber weiterhin im negativen Bereich.

phs/aku

WEB http://www.arbeiterkammer.at

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