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21.10.2015 12:00:46

Starbucks und Fiat haben laut EU von illegalen Steuerdeals profitiert

BRÜSSEL (Dow Jones)--Starbucks und Fiat haben von illegalen Steuervereinbarungen in Luxemburg und den Niederlanden profitiert. Zu diesem Ergebnis ist die EU-Kommission in ihrer umfangreichen Untersuchung gekommen. Die Konzerne müssen nun mehrere 10 Millionen Euro an Steuern zurückzahlen. Es ist eine wegweisende Entscheidung der Behörde, die die Steuergeflechte tausender Unternehmen in ganz Europa ins Wanken bringen könnte.

Jeder der beiden Konzerne muss bis zu 30 Millionen Euro nachzahlen, eine Summe die allgemein als moderat eingestuft wird. Er wird erwartet, dass die beiden Konzerne gegen die Entscheidung vom Mittwoch in Berufung gehen, was dann zu einem sich über Jahre hinziehenden Prozess führen dürfte.

Dennoch haben die Untersuchungen nach Einschätzung von Experten bereits etliche Vorstände in ganz Europa frösteln lassen. Hunderte, vielleicht gar tausende Konzerne hatten die Vorschriften für Holdingunternehmen in Luxemburg genutzt, um ihre Steuerlast zu verringern und statt des offiziellen Steuersatzes des Landes von 29 Prozent fast nicht zu bezahlen. Das geht aus Dokumenten hervor, die im vergangenen Jahr von dem in Washington ansässigen International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) veröffentlicht wurde.

"Jedes Unternehmen, das in der Vergangenheit ein günstiges Steuerabkommen mit Luxemburg geschlossen hat, sollte sich Rat suchen und dieses Abkommen überprüfen", sagte Heather Self, ein Partner der Londoner Anwaltskanzlei Pinsent Masons LLP. "Sie möchten möglicherweise lieber jetzt einen Kompromiss in Erwägung ziehen als darauf zu warten, Gegenstand einer umfassenden Untersuchung zu sein."

"Tausende andere Unternehmen riskieren, dass ihre Steuervereinbarungen erneut überprüft werden", sagte Chris Bryant, ein Partner der internationalen Kanzlei Berwin Leighton Paisner. "Milliarden Euro könnten auf dem Spiel stehen."

Auswirkungen möglicherweise auch für Braufusion Die Entscheidung könnte auch Konsequenzen für eine Handvoll Transaktionen zwischen großen multinationalen Konzernen mit Hauptsitz oder dem Sitz von Tochtergesellschaften in Europa haben. Der größte derzeit offene Deal ist die Vereinbarung des belgischen Brauereikonzerns Anheuser-Busch InBev zum Kauf des in London ansässigen Wettbewerbers SABMiller für 68 Milliarden Britische Pfund. Die beiden Konzerne haben die Transaktion vorläufig vereinbart, erarbeiten derzeit aber noch die Einzelheiten.

AB InBev hat seinen Sitz im belgischen Leuven. Die EU-Behörden prüfen derzeit - unabhängig von der geplanten Fusion - Steuererleichterungen in Belgien, von denen AB InBev und eine Reihe anderer in dem Land ansässiger Konzerne profitiert haben sollen.

Die EU-Kommission ordnete am Mittwoch an, dass Luxemburg und die Niederlande die von den Konzernen nicht entrichtete Steuer von Starbucks und Fiat nun einfordern müssen. Jeder der beiden Konzerne muss 20 bis 30 Millionen Euro nachzahlen, um die unfairen Wettbewerbsvorteile zu beseitigen und die Gleichbehandlung mit anderen Unternehmen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, wiederherzustellen. Zudem kämen sie nicht mehr in den Genuss der Steuervorteile, die sie mit den Ländern ausgehandelt hatten.

Wirtschaftliche Realität außer acht Mit den beiden Steuervereinbarungen seien "künstliche und komplexe Methoden" genehmigt worden, "die die wirtschaftliche Realität außer Acht lassen", hieß in der Mitteilung der Kommission weiter.

Mit der Entscheidung der Behörde werden zwei von fünf laufenden Untersuchungen zu dem Thema abgeschlossen. Die Tragweite geht aber über diese fünf hinaus: Zahlreiche multinationale Konzerne haben in ganz Europa entsprechende Steuervereinbarungen abgeschlossen, die nun möglicherweise illegal sind.

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, sie könne weitere Untersuchungen eröffnen, falls sie weitere Verstöße gegen EU-Gesetze vermute.

"Steuerentscheide, die die Steuerlast eines Unternehmens künstlich verringern, stehen nicht im Einklang mit den Staatshilfe-Regeln der EU. Sie sind illegal", sagte Vestager. "Ich hoffe, dass diese Botschaft mit der heutigen Entscheidung von den Regierungen der Mitgliedsstaaten und den Unternehmen gleichermaßen vernommen wird."

Drei weitere Fälle anhängig Bei der Kommission sind noch drei ähnliche Fälle anhängig, bei denen auf unzulässige Subventionen geprüft wird. Es geht dabei um den Online-Händler Amazon in Luxemburg und den Computerbauer Apple in Irland sowie den belgischen Steuernachlass für AB InBev. Wann diese Fälle entschieden werden, ist unklar. Alle Unternehmen haben dementiert, Sonderbehandlungen genossen zu haben und die Regierungen haben dementiert, diese gewährt zu haben.

Im Fall von Starbucks sei der Großteil der Gewinne im Kaffeeröstungsgeschäft des Konzerns in den Niederlanden ins Ausland transferiert und dort ebenfalls nicht besteuert worden seien, befand die EU. Der Röster habe der Schweizer Starbucks-Tochter einen "überhöhten Preis" für grüne Kaffeebohnen gezahlt, sowie eine "sehr erhebliche Lizenzgebühr" an die britische Tochter Alki, die deren Wert nicht wiederspiegelte. Die inzwischen von Starbucks aufgelöste Tochter Alki musste weder in Großbritannien noch in den Niederlanden Unternehmenssteuern zahlen, sagte Vestager.

Starbucks kündigte an, gegen die EU-Entscheidung in Berufung zu gehen. Schließlich habe der Konzern die niederländischen Vorschriften und die der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eingehalten, die für jedermann zugänglich seien. Die in Paris ansässige OECD verfasst Leitsätze für die Besteuerung von Unternehmen.

Starbucks sieht signikfikante Fehler in der Entscheidung Der US-Konzern sorge sich um "signifikante Fehler" in der Entscheidung, sagte ein Starbucks-Sprecher. Starbucks halte alle internationalen Gesetze und Vorschriften ein.

Im Fall von Fiat soll die in Luxemburg ansässige Finanztochter des Autokonzerns "nur Steuern auf zu niedrig geschätzte Gewinne" gezahlt haben, so die Kommission. Die Steuervereinbarung umfasse eine Reihe von "wirtschaftlich nicht vertretbaren Annahmen und Anpassungen" der Steuerbasis "nach unten". Zudem sei dieses bereits viel niedrigere Kapital weitaus niedriger besteuert worden als sonst üblich.

Fiat erklärte bereits am Dienstag, keinerlei Staatshilfen erhalten zu haben und etwaige Steuernachzahlungen wären für die Geschäftszahlen des Konzerns "unerheblich".

Das niederländische Finanzministerium äußerte sich "überrascht" über die Entscheidung der Kommission und kündigte an, diese sorgfältig zu analysieren, ehe über weitere Schritte entschieden werde. Das Ministerium sagte, es sei "überzeugt, dass "bestehende internationale Standards angewandt werden".

Luxemburgs Regierung erklärte, sie stimme mit der Entscheidung der EU nicht überein und behalte sich alle ihre Rechte vor. Die EU-Kommission habe "in keinster Weise festgestellt, dass Fiat Finance and Trade besondere Vorteile mit Bezug auf Luxemburgs einzelstaatlichen Rechtsrahmen erhalten hat".

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com

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