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09.11.2023 20:35:00
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SIGNA-Gruppe: Nach der Entmachtung von René Benko bleibt rechtliches Konstrukt offen - Experte hält Insolvenz für wahrscheinlich
Der SIGNA-Konzern mit einer Bilanzsumme von zuletzt 27 Mrd. Euro bleibt weiterhin undurchsichtig. Wer, wo in der SIGNA wie viel einschießen wird müssen, will Geiwitz laut Radio-Bericht auch in spätestens drei Wochen wissen. Das Geiwitz-Team und zwei Anwaltskanzleien schauen sich in dieser Zeit die wichtigsten Immobilienbereiche der SIGNA an, deren Gesamtvermögen wie berichtet auf 20 Mrd. Euro geschätzt wird. Sie prüfen weitere Geschäftsaussichten für Gebäude - also wo etwas verdient werden kann, wo es Kaufinteressenten gibt. Gespräche würden in Europa und im arabischen Raum mit potenziellen Geldgebern geführt. Wichtig werden auch Verhandlungen mit geldgebenden Banken, so Ö1 ohne Angabe von Quellen.
Demnach verdichteten sich auch unbestätigte Angaben, wonach die SIGNA auf ihren Kernbereich der Immobilien schrumpfen könnte. Dann könnten in der Schweiz Globus und in Deutschland die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof verkauft werden.
Die Zeitung "Presse" (Donnerstag) wirft die Frage auf, ob Benko trotz seit Jahren fehlender tatsächlicher operativer Funktion in seinem Lebenswerk nicht doch womöglich "faktischer Geschäftsführer" war, den im Fall des Falles Haftungsfragen treffen können. Für Beobachter steht jedenfalls außer Zweifel, dass Benko bis zur Übergabe an Geiwitz das Sagen hatte. Selbst nannte sich Benko angeblich auch des Öfteren "Chairman". Über seine Familienstiftung hält der 46-Jährige indirekt die Mehrheit der Anteile an seinem "Baby".
Jetzt muss Geiwitz eine Ausweitung des Liquiditätsengpasses verhindern. Zuletzt gab es etwa einem Baustopp an einem der Prestigeprojekte schlechthin - dem Hamburger Elbtower. Die Verbindlichkeiten liegen im vielfachen Milliardenbereich, schreiben Medien. Insgesamt wird über bis zu 15 Mrd. Euro geschrieben, etwa von der "Kronen Zeitung" an der Benko - SIGNA-Kerngeschäft untypisch - wie am "Kurier" auch Anteile hält. Auch diese Beteiligungen dürfte sich Geiwitz genau anschauen. Die kurzfristigen Schulden sollen sich auf 2 Mrd. Euro belaufen - davon noch heuer zu bedienen: 1,3 Mrd. Euro.
Dass es dafür in der Judikatur längst eine Bezeichnung gibt, thematisierte Rechtsanwalt Alfred Nemetschke in einem LinkedIn-Beitrag, so die "Presse". Mit einem "faktischen Geschäftsführer" sei eine Person gemeint, die formal nicht zum Geschäftsleiter bestellt ist, aber im Unternehmen die Fäden zieht. Und deshalb auch entsprechende Verantwortung trägt. Samt vollem Haftungsrisiko.
"Faktischer Geschäftsführer ist, wer - ohne förmlich bestellt zu sein - maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt, womit es nicht darauf ankommt, ob es sich um einen Angestellten, Gesellschafter, Angehörigen oder Außenstehenden handelt", lautet dazu ein Rechtssatz des Obersten Gerichtshofs (OGH, RS0119794), geht aus dem Zeitungsbericht hervor. Wer diese Rolle einnimmt, hat auch die Pflichten eines Firmenchefs. Geht es dabei um Rechtshandlungen, die bestellten Geschäftsleitern vorbehalten sind, muss er auf diese entsprechend einwirken. Ob jemand diese Rolle einnimmt, ist laut Judikatur jeweils im Einzelfall zu beurteilen.
Während sich die Investoren in besseren Zeiten gerne mit ihren Invests in die SIGNA und auch das Talent Benkos rühmten, herrscht nun Schweigen. Benko-Investor Hans Peter Haselsteiner ließ aktuell nur wissen, dass nunmehr das Büro von Geiwitz informiere. Dieses verwies auf die SIGNA, die seit Wochen nicht auf Medienanfragen reagiert und bisher nur gestern eine einseitige Presseinformation versendete.
Geiwitz soll laut Zeitung "Der Standard" unter Berufung auf Insider weder Benkos Stimmrechte noch dessen Anteile übertragen bekommen haben. Eine komplexe rechtliche Lösung sorge dafür, dass Geiwitz Benkos Stimmrechte repräsentiert, auch ohne Übertragung. Eine zeitliche Limitierung soll es nicht geben. Es ist schließlich auch offen wie lang es braucht, bis Benkos "Baby" gesundet - und unter welchen Umständen das möglich ist.
SIGNA - Handelsexperte Heinemann hält Insolvenz für wahrscheinlich
Nach Ansicht des deutsche Handelsexperten Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein deuten alle Signale zu René Benkos Firmengruppe darauf hin, "dass es nicht nur Zahlungsschwierigkeiten gibt, sondern das Unternehmen kurz vor einer Insolvenz unter Umständen steht". Der Sanierer Arndt Geiwitz werde zunächst Transparenz schaffen und die Banken beruhigen müssen, sagte Heinemann am Donnerstag im Ö1-"Mittagsjournal".
Ob Geiwitz das gelingen werde, sei jedoch fraglich, so Heinemann. In den nächsten Wochen stünden etliche Refinanzierungen an, und die Banken seien von der deutschen Bankenaufsicht angewiesen worden, "genauer hinzuschauen, was offensichtlich in der Vergangenheit nicht der Fall war. Und da wage ich zu bezweifeln, dass die Banken einfach nur durch ein Schönreden sich hinhalten lassen."
Vieles sei bei dem Firmengeflecht von rund 1.000 Firmen unklar, so der Experte. Zwischen diesen Firmen würden auch Geschäfte laufen und die gegenseitigen Haftungen seien nicht geklärt. Unklar ist vorerst auch noch, um welche Summen es genau geht. Die kolportierten 200 bis 400 Mio. Euro sollen laut Heinemann "angeblich der Betrag sein, der noch im November fällig ist", bis Jahresende sollen es "bis 1 Milliarde und mehr" sein.
Da Benko kein offizielles Amt innehabe, sei auch unklar, wovon er sich jetzt eigentlich zurückziehe. "Die Stimmrechte seiner Anteile - über 50 Prozent - sind wohl noch nicht übertragen. Er besitzt ja indirekt über seine Stiftung die Mehrheit, und da ist noch nichts übertragen worden, was man hört. Gerede ist das eine und Fakten und Tatsachen das andere."
Wenn Benko "jemanden aus dem Hut zaubern könnte", etwas aus dem Nahen Osten oder einen russischen Oligarchen, "dann hätte er das schon geschafft, das sieht nicht so aus", meinte Heinemann. Bei den Immobilien gebe es einen hohen Abwertungsbedarf mit einem enormen Risiko für die Banken. Daher werde Geiwitz möglicherweise einen außergerichtlichen Vergleich schaffen, quasi ein außergerichtliches Insolvenzverfahren. "Allerdings in der Aufruhr und Intransparenz, die vorliegt, glaube ich eher an ein echtes Insolvenzverfahren, zumal ja schon seit einigen Wochen keine Zahlungen mehr erfolgen, die erfolgen müssten."
SIGNA - Viel Energie in Vermeidung der Konsolidierungspflicht
Dass die milliardenschwere, angeschlagene SIGNA ein schwer durchsichtiges Gebilde ist, ist bekannt. Ein Bericht des "News"-Magazins zeigt nun, wie viel Energie offenbar ins Verschleiern geflossen ist. Die Firma, in der das ursprüngliche Mastermind René Benko nun entmachtet ist, habe gesellschaftsrechtliche Verschachtelungen innerhalb der Gruppe ganz bewusst so gestaltet, dass keine gesetzliche Konsolidierungspflicht entsteht, Unterstützerin war die Kanzlei TPA, so "News".
TPA ist eine der größten Steuerberatungsunternehmen Österreichs und medial etwa deswegen zu Bekanntheit gelangt, da sie die Pleitebank Commerzialbank Mattersburg über Jahre prüfte. Sie lieferte laut dem Magazin der SIGNA Tipps zur Verschachtelung und zur Darstellung einer Nicht-Konsolidierung.
"Ziel unserer Empfehlungen ist die Vermeidung einer Konsolidierungspflicht der SIHO (SIGNA Holding, Anm.) hinsichtlich der Konzerne SIGNA Prime Selection AG und SIGNA Development Selection AG und SIGNA Retail GmbH", heißt es in einer Zusammenfassung der TPA-Empfehlungen rund um die Konsolidierungspflicht der SIGNA Holding, die "News" laut Vorausmeldung (Erscheinungstag: Freitag). Und weiter: "Es soll vermieden werden, dass SIHO überhaupt einen Konzernabschluss aufstellt."
"Zur Erreichung des Ziels ist es essentiell, dass keine Beherrschung nach § 244 Abs 2 UGB hergestellt wird. Das bedeutet in erster Linie, dass SIHO niemals mehr als 50 % der Stimmrechte an Prime, SDS (SIGNA Development, Anm.) oder (SIGNA, Anm.) Retail erlangt. Dies ist ein hartes Kriterium, wo es kein Ermessen gibt." Nach einigen weiteren Erläuterungen in der zweiseitigen "Executive Summery" der TPA-Vorschläge heißt es unter anderem noch: "Die Ausgangslage der SIHO betreffend die Feststellung des Vorliegens einheitlicher Leitung ist grundsätzlich als grenzwertig einzustufen. Die eigentliche Funktion einer Holding-Gesellschaft liegt in der Steuerung eines Konzerns."
Neben der Empfehlung zur Gestaltung und Formulierung diverser interner Verträge wurde von der Kanzlei TPA im November 2018 ein wesentliches Augenmerk auf den öffentlichen Auftritt gelegt, um die Konsolidierungspflicht zu vermeiden, schreibt "News". So hieß es damals laut dem Magazin in einem längeren TPA-Papier: "Auf der Homepage der SIGNA finden sich einige Hinweise auf das Vorliegen einer zentral gesteuerten Gruppe, die starke Indizien für das Vorliegen einer einheitlichen Leitung darstellen. Wir verweisen auf das E-Mail vom 4. November 2016. Im Folgenden stellen wir nochmals die Highlights dar." In einem Dokument von 2018 heißt es dann laut Magazin: "Unter https://www. signa.at/de/unternehmen ist die Rede von der 'SIGNA Unternehmensgruppe' und der 'SIGNA Group'. Eine 'Gruppe' ist als Synonym für 'Konzern' zu verstehen. Wir empfehlen, das Wort 'Gruppe' zu entfernen und nur von 'SIGNA' zu sprechen." Der TPA-Ratschlag laut "News": "Wir empfehlen, 'Unternehmensgruppe' aus der Überschrift zu entfernen."
SIGNA weist Medienberichte als "tatsachenwidrig" zurück
René Benkos SIGNA-Gruppe hat die Aussagen des deutschen Handelsexperten Gerrit Heinemann im Ö1-"Mittagsjournal" über eine mögliche Insolvenz als "tatsachenwidrige Behauptung" zurückgewiesen, die "massiv kreditschädigend" sei. An den Behauptungen des "angeblichen Handelsexperten" bestehe kein öffentliches Interesse, zumal dieser über keinerlei unmittelbare Informationen zu SIGNA verfüge und kein Kontakt zu ihm bestehe, erklärte SIGNA-Anwalt Peter Zöchbauer gegenüber der APA.
Der SIGNA-Konzern mit einer Bilanzsumme von zuletzt 27 Mrd. Euro bleibt weiterhin undurchsichtig. Immobilieninvestor René Benko hatte diese Woche den Vorsitz im Beirat der SIGNA Holding an den deutschen Sanierungsexperten Arndt Geiwitz abgegeben. Geiwitz übt die bisherigen Stimmrechte von Benko aus - was für ein rechtliches Konstrukt dahinter steht, ist aber unklar. Auch nach der Entmachtung von SIGNA-Mastermind Benko durch seine milliardenschweren Investoren bleiben also viele Fragen rund um den angeschlagenen Immobilien- und Handelskonzern offen. Wiederholte Anfragen der APA um Stellungnahmen zu den Vorgängen an der Spitze der Firmengruppe blieben unbeantwortet.
Das Geiwitz-Team und zwei Anwaltskanzleien schauen sich in den nächsten Wochen laut Medienberichten die wichtigsten Immobilienbereiche der SIGNA an, deren Gesamtvermögen auf 20 Mrd. Euro geschätzt wird. Sie prüfen weitere Geschäftsaussichten für Gebäude - also wo etwas verdient werden kann und wo es Kaufinteressenten gibt. Gespräche würden in Europa und im arabischen Raum mit potenziellen Geldgebern geführt.
Die Zeitung "Presse" (Donnerstag) wirft die Frage auf, ob Benko trotz seit Jahren fehlender tatsächlicher operativer Funktion in seinem Lebenswerk nicht doch womöglich "faktischer Geschäftsführer" war, den im Fall des Falles Haftungsfragen treffen können. Für Beobachter steht jedenfalls außer Zweifel, dass Benko bis zur Übergabe an Geiwitz das Sagen hatte. Über seine Familienstiftung hält Benko indirekt die Mehrheit der SIGNA-Anteile.
(APA)
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