06.05.2016 21:02:37
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Schwäbische Zeitung: Ein Argentinier klagt Europa an - Leitartikel zu Karlspreis
Denn möglicherweise tut es bisweilen gut zu hören, wie es sein
könnte, wenn es so liefe, wie es laufen sollte. Der Argentinier auf
dem Stuhl Petri scheint die europäischen Grundwerte tatsächlich
stärker verinnerlicht zu haben als jeder europäische Politiker an den
Schalthebeln der Macht. Vielleicht musste jemand "vom anderen Ende
der Welt" kommen, um den Europäern ihre Krankheiten zu
diagnostizieren. Nur in dieser schonungslosen Diagnose des Papstes
gründet die Auszeichnung mit dem Preis, der ursprünglich Verdienste
um die Einigung Europas würdigen sollte. Aber - um im Bild zu bleiben
ohne Diagnose gibt es keine Chance auf wirkungsvolle Behandlung,
und in diesem Sinne hat Franziskus sich Meriten verdient. Seine
Botschaft ist einfach. Europas Grundwerte sind zutiefst christliche,
und wenn sich die Europäer dieser Werte besinnen, können sie
gemeinsam auch die Migrationsprobleme lösen. Ein auf seinen
Grundwerten basierendes Europa könnte gelassen sein, bräuchte keine
Angst vor Überfremdung und Islamisierung zu haben. Nebenbei: Der
deutsche Kardinal Walter Kasper hat am Freitag in seiner Predigt
Fremdenhass als "Todsünde" eingestuft.
Es spricht dennoch wenig dafür, dass aus dem Wunschbild und den Hoffnungen des Papstes in absehbarer Zeit Realität werden kann. Die Politiker werden weiter ihre Realpolitik betreiben - bestenfalls mit schlechtem Gewissen.
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