11.06.2023 14:52:38
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Scholz für Reform der EU-Asylregeln: 'Solidarisches System' schaffen
NÜRNBERG/BERLIN (dpa-AFX) - Nach heftiger Kritik bei den Grünen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die geplante Reform der europäischen Asylregeln verteidigt. Es müsse aufhören, dass Länder mit dem Finger auf andere zeigten und sich nicht zuständig fühlten. "Deshalb ist die Verabredung, dass wir einen Solidaritätsmechanismus etablieren", sagte Scholz am Samstag beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) rechnet nach der Reform mit sinkenden Flüchtlingszahlen in Deutschland. Unionspolitiker fordern von der Bundesregierung zügig auch eigene Maßnahmen gegen illegale Migration, bevor die neuen Regeln auf EU-Ebene in Kraft treten.
Reform für härteren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive
Die EU-Innenminister hatten am Donnerstag in Luxemburg mehrheitlich für eine umfassende Reform gestimmt. So sollen zum Beispiel ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern nach dem Grenzübertritt in haftähnlich kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort soll innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob ein Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.
Die rot-grün-gelbe Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie letztlich akzeptieren, dass dies doch möglich war. Denkbar ist aber, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt.
Scholz' und Faesers Verteidigungslinie
Scholz sagte, es müsse "endlich, endlich" ein solidarisches System der Verteilung von Flüchtlingen in Europa etabliert werden. Er versprach zügigere Asylverfahren und mehr Digitalisierung bei den Abläufen. Man müsse es "fertigbringen", jemanden zurückzuschicken, der nicht in Europa bleiben könne. Faeser verteidigte in der "Bild am Sonntag" die Pläne ebenfalls: "Wir schützen weiterhin die Menschen, die aus furchtbaren Kriegen, vor Folter und Mord zu uns fliehen. Aber diese Verantwortung verteilt sich künftig auf mehr Schultern. Das wird auch zu einer Entlastung Deutschlands führen."
Die Ministerin sprach sich allerdings für nachträgliche Änderungen aus: "Wir wollen jetzt zusammen mit dem Europäischen Parlament in den weiteren Verhandlungen dafür sorgen, dass Familien mit Kindern nicht ihr Asylverfahren an den Außengrenzen durchlaufen müssen, sondern gleich in die EU einreisen können."
Grüne in Aufruhr
Damit bezog sie sich auf Kritik vor allem aus den Reihen der Grünen. Dort hatten sich Mitglieder empört gezeigt, dass die Bundesregierung den Reformplänen zugestimmt hatte. Der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt bezweifelte am Freitag in den ARD-"Tagesthemen", dass die Reform die irreguläre Migration eindämmt. Er befürchtete, dass die Menschen dann vermehrt mit der Hilfe von Schleppern reisten, um einer Registrierung an der EU-Außengrenze zu entgehen. Es wird erwartet, dass das Thema beim Kleinen Parteitag der Grünen am kommenden Samstag im hessischen Bad Vilbel kontrovers diskutiert wird.
Unionspolitiker für zügige nationale Maßnahmen
Unionspolitikern geht es hingegen bei Maßnahmen gegen die illegale Migration nicht schnell genug. Der Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Wir brauchen auch nationale Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration und zwar umgehend." Eine Reform der EU-Asylpolitik wirke allenfalls in zwei oder drei Jahren. Viele Kommunen hätten die Belastungsgrenze bei der Aufnahme von Migranten erreicht oder überschritten.
Der Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU) kritisierte die Grünen. "Die Grünen nehmen für sich in Anspruch, Europa aktiv mitzugestalten. Dann sind sie aber regelmäßig nicht bereit, ausgehandelte Kompromisse mitzutragen. Das passt nicht zusammen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Gespräche in Tunesien
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Regierungschefs Italiens und der Niederlande, Giorgia Meloni und Mark Rutte, wurden am Sonntag in Tunesien erwartet. In der Hauptstadt Tunis wollten sie mit Präsident Kais Saied über die Eindämmung der Zuwanderung beraten. Irreguläre Migration aus dem nordafrikanischen Land in die EU hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen./bg/DP/he
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