Westen besorgt |
02.03.2014 20:05:40
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Russland droht mit Kampfeinsatz auf der Krim
Auf der Krim übernahmen russisch sprechende Milizen die Kontrolle über die zur Ukraine gehörende Schwarzmeer-Halbinsel. Das Parlament in Moskau hatte am Samstag einstimmig den Weg für einen Militäreinsatz in der Ukraine bereitet und dies mit dem Schutz der russischen Bevölkerung nach den jüngsten Ausschreitungen in der Ukraine begründet. Putin habe nun alle Vollmachten, um einzuschreiten, teilte der Kreml mit. Die neue, prowestliche Regierung in der Ukraine wertete das Vorgehen Russlands als "militärische Aggression" und warf dem Kreml vor, die Krim besetzen zu wollen. Am Abend verkündete der Befehlshaber der ukrainischen Marine, Denis Beresowski, sich den prorussischen Kräften auf der Krim angeschlossen zu haben.
Die Führung in Kiew forderte die Nato und den Westen insgesamt auf, alle Mechanismen zu prüfen, um die territoriale Einheit des Landes zu schützen. Als Reaktion auf den russischen Parlamentsbeschluss versetzte die Ukraine ihre Streitkräfte in volle Kampfbereitschaft. Interimspräsident Alexander Turtschinow unterzeichnete eine entsprechende Anordnung. Russland habe für einen "Akt der Aggression" keine Grundlage. "Alle Erklärungen über Gefahren für russische Staatsbürger oder russischsprachige Ukrainer sind erdacht", sagte Turtschinow.
Es handelt sich bei der Anordnung nicht um eine Generalmobilmachung. Das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, tagte am Sonntag hinter verschlossenen Türen. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte, sein Land werde einen russischen Militäreinsatz nicht hinnehmen. "Eine Intervention wird der Beginn eines Krieges und das Ende aller Beziehungen sein", sagte er in Kiew. Nach einem Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedew betonte Jazenjuk, seine Regierung werde alle nötigen Maßnahmen zur Wahrung von Ruhe und Ordnung ergreifen.
Das russische Vorgehen auf der Krim sorgte international für große Besorgnis. Die USA, Kanada, Großbritannien und Frankreich setzten ihre Teilnahme an Konferenzen zur Vorbereitung des G-8-Treffens im russischen Sotschi aus. Das teilte das Weiße Haus nach einem 90-minütigen Telefonat zwischen Obama und Putin am Samstag mit.
Außenminister Steinmeier zeigte sich skeptisch. "Ich bin eher bei denen, die sagen, das G8-Format ist das einzige Format, in dem wir aus dem Westen noch mit Russland unmittelbar sprechen", sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend im ARD-"Bericht aus Berlin". "Und sollten wir wirklich dieses einzige Format opfern? Ich denke, wir sollten sehen, dass wir zur Deeskalation in der Ukraine beitragen und nicht jedmögliche Verschärfung herbeireden. Das wird im Zweifel nicht helfen." Die Haltung Japans in dieser Frage blieb offen. Der neue italienische Regierungschef Matteo Renzi rief nach einem Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel Moskau auf, die Krise nicht weiter zu verschärfen. Zu einem möglichen Ausschluss Russlands aus der G8 äußerte sich Renzi nicht.
Steinmeier betonte, es gebe Interessen Moskaus, die durchaus nachvollziehbar seien. Wichtig sei, Russland und die neue Führung in der Ukraine ins Gespräch zu bringen. Wenn das nicht gelinge, könne man etwa die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bitten, eine sogenannte Factfinding-Mission zu starten, um die Vorgänge auf der Krim und in der Ostukraine zu überprüfen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Bildung einer internationalen Kontaktgruppe, in der die Europäer, die Vereinten Nationen, aber auch Russland und die Ukraine vertreten sein könnten.
Der deutsche Außenminister forderte Russland zudem "in aller Eindringlichkeit auf, jeden Verstoß gegen die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu unterlassen". Russland habe kein Recht, Militär jenseits der Regeln des Pachtvertrages über die russische Schwarzmeerflotte auf ukrainischem Hoheitsgebiet einzusetzen. Vor der russischen Botschaft in Berlin demonstrierten mehr als 200 Menschen am Sonntag gegen einen möglichen Kampfeinsatz Moskaus.
In Brüssel kam der Nato-Rat in einer außerordentlichen Sitzung über die Lage in der Ukraine zusammen. Die russische Militäraktion bedroht nach Ansicht von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen "den Frieden und die Sicherheit in Europa", sagte Rasmussen zum Auftakt. "Was Russland derzeit in der Ukraine tut, verstößt gegen die Prinzipien der UN-Charta", fügte er hinzu.
Präsident Putin will nach Kremlangaben seinen Befehl zum Militäreinsatz von der weiteren Lage auf der Krim abhängig machen. Dort blieb die Lage am Sonntag angespannt, aber ruhig. Die russischen Streitkräfte brachten nach ukrainischen Angaben mehrere tausend Soldaten auf die Krim, wo Moskau seit über 200 Jahren die Schwarzmeerflotte in Sewastopol unterhält. Das Abkommen über die Schwarzmeerflotte erlaubt Russland die Stationierung von Marineeinheiten auf der Krim.
Die Krim-Regierung hatte Russland um Schutz vor gewaltbereiten ukrainischen Nationalisten und Extremisten angerufen. In mehreren Städten der Schwarzmeer-Halbinsel demonstrierten Menschen gegen die Regierung in Kiew. Auch außerhalb der Krim gab es Proteste: So wurden in Charkow bei Zusammenstößen nach russischen Medienberichten mehr als 100 Menschen verletzt.
Die Krim soll nach Vorstellung der neuen prorussischen Führung künftig als eigener Staat existieren. Das teilte Krim-Parlamentschef Wladimir Konstantinow in Simferopol mit. Bei einem für den 30. März geplanten Referendum sollen die mehrheitlich russischsprachigen Krim-Bewohner demnach über eine Abspaltung von der Ukraine entscheiden.
Bei Protesten in Moskau gegen einen möglichen russischen Kampfeinsatz in der Ukraine nahm die Polizei nach Oppositionsangaben am Sonntagabend mehr als 300 Gegner von Präsident Wladimir Putin fest. Auf einer anderen Kundgebung in Moskau hatten zuvor rund 20.000 kremltreue Demonstranten die russische Krim-Politik begrüßt.
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