06.05.2013 18:43:32
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ROUNDUP: Kretschmann auf Distanz zu grünen Steuerbeschlüssen
Per Zeitungsinterview hatte Kretschmann unmittelbar vor dem Parteitag Ende April davor gewarnt, Wirtschaft und Bürger mit höheren Steuern und Abgaben zu überfordern. In seiner Abschlussrede auf dem Parteitag lobte er dann aber, die Grünen hätten in ihrem Bundestags-Wahlprogramm die "richtige Balance" gefunden. Vor den Unternehmen sagte der Regierungschef nun laut "Süddeutscher Zeitung": "Ich verstehe selbstverständlich ihre Irritation über unseren Parteitagsbeschluss." Dieser sieht unter anderem höhere Steuersätze schon ab einem Jahresbruttoeinkommen von 60 000 Euro, eine Vermögensabgabe und später eine dauerhafte Vermögenssteuer vor.
Der Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling meint, dass dem Regierungschef die Diskussion um die Grünen-Steuerpläne gefährlich werden könnte. Kretschmann habe es geschafft, dass Unternehmer und Facharbeiter Vertrauen in die grüne Wirtschaftspolitik gefasst haben - das stehe nun wieder auf dem Spiel, sagte der Tübinger Professor der Nachrichtenagentur dpa. Kretschmann habe deshalb gar keine andere Wahl, als sich zumindest teilweise gegen die von der Bundespartei geplanten massiven Steuererhöhungen zu stellen.
Kretschmanns Erfolg als Regierungschef beruhe nicht zuletzt darauf, dass er die Bedenken der Wirtschaft gegen grüne Politik zerstreuen konnte, sagte Wehling. "Aber jetzt muss er verhindern, dass seine Wähler von Trittin und den Bundes-Grünen wieder verschreckt werden", fügte der Professor hinzu. "Die Grünen-Wähler im Süden sind sehr realo. Der Imageschaden durch das linke Wahlprogramm ist hier schon jetzt groß." Das werde sich auch bei der Bundestagswahl im Ergebnis der Grünen auswirken.
Der Konstanzer Politikwissenschaftler Wolfgang Seibel sieht Kretschmann im Spagat zwischen der Basis seiner Partei und der Wählerschaft. Aus Sicht des liberalen Bürgertums im Südwesten seien die Steuererhöhungsbeschlüsse der Grünen das "falsche Signal", sagte Seibel der dpa. Andererseits müsse Kretschmann aus innerparteilichen Gründen lavieren - "sonst bricht ihm die Parteibasis weg". Die Grünen hätten bei der Landtagswahl 2011 mit gut 24 Prozent weit mehr als ihre Stammwähler gewonnen. Etwa ein Drittel der Wähler habe nur wegen Kretschmann und der moderaten Politik der Grünen im Südwesten der Ökopartei ihre Stimme gegeben und könnte sich durchaus vorstellen, auch bei FDP oder CDU ihr Kreuzchen zu machen.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte, Kretschmann habe sich offensichtlich "das Chamäleon als Wappentier seiner Amtszeit ausgesucht". Der Auftritt bei den Unternehmern sei typisch für Kretschmanns Regierungsstil. Beim Parteitag erzähle er, dass die Steuerpolitik die richtige Balance habe, bei Unternehmern dagegen, dass die richtige Balance fehle. FDP-Landeschefin Birgit Homburger warf Kretschmann vor, die grünen Steuerbeschlüsse schönzureden, obwohl er sich auf dem Parteitag nicht habe durchsetzen können.
CDU-Landeschef Thomas Strobl hielt dem Regierungschef vor, in der Steuerpolitik sein "Fähnlein in den Wind" zu hängen. Kretschmann habe sich zu den Steuererhöhungsplänen seiner Partei sehr unterschiedlich positioniert, abhängig davon, wo er sich gerade äußere, kritisierte Strobl am Montag. Er wolle nirgendwo anecken.
Hingegen sagte Grünen-Landeschef Chris Kühn, der dem linken Flügel der Partei zuzurechnen ist: "Ich sehe keinen Widerspruch zwischen dem Ministerpräsidenten und der Partei." Ähnlich äußerte sich Grünen-Bundeschef Cem Özdemir. Kretschmann sei aber einer, "der die Interessen der Länder sehr selbstbewusst vertritt". Einig sei er sich mit Kretschmann in der Notwendigkeit, die öffentlichen Schulden zurückzuführen.
Über Kretschmanns Mahnungen gegen zu starke Steuererhöhungen, sagte Özdemir: "Ich bin sehr dankbar dafür, dass Winfried Kretschmann im Vorfeld des Parteitags darauf hingewiesen hat, dass man die Gesamtbelastung im Blick behalten muss." Dies sei im Wahlprogramm berücksichtigt worden. "Insofern ziehen wir nicht nur am selben Strang, sondern sogar in dieselbe Richtung."/bg/mhe/jug/bw/DP/jsl
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