13.02.2022 12:19:38

ROUNDUP/Gespräche zu Ukraine: Biden und Macron drängen Putin zu Deeskalation

WASHINGTON/MOSKAU/KIEW (dpa-AFX) - US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron haben in direkten Gesprächen mit Russlands Präsident Wladimir Putin erneut versucht, eine Eskalation im Ukraine-Konflikt abzuwenden. Die beiden telefonierten am Samstag nacheinander mit dem Kremlchef. Biden warnte Putin laut Weißem Haus eindringlich vor einer Invasion der Ukraine und drohte einmal mehr mit schwerwiegenden Konsequenzen. Moskau wies die US-Warnungen vor einem russischen Angriff die Ukraine scharf zurück und sprach von "provokativen Spekulationen" und "Hysterie". In Europa wächst dennoch die Sorge vor einer Eskalation. Mehrere Staaten, darunter Deutschland, riefen ihre Bürger zur Ausreise aus der Ukraine auf.

Angesichts des Aufmarschs Zehntausender russischer Soldaten an der Grenze zur Ukraine wird befürchtet, dass der Kreml eine Invasion des Nachbarlandes plant. Moskau bestreitet das seit Wochen vehement. Für möglich gehalten wird auch, dass der Kreml eine Drohkulisse aufbauen will, um eigene Sicherheitsforderungen durchzusetzen. Moskau verlangt etwa ein Ende der Nato-Osterweiterung und einen Verzicht auf eine mögliche Aufnahme der Ukraine in das westliche Militärbündnis.

Nach Angaben des Weißen Hauses betonte Biden in dem Telefonat mit Putin, eine Invasion würde "großes menschliches Leid verursachen und das Ansehen Russlands schmälern". Die Folge wäre eine entschlossene Reaktion der USA und ihrer Verbündeten, was schwere Konsequenzen für Moskau hätte. Die USA seien weiter bereit zu diplomatischen Gesprächen, aber "ebenso auf andere Szenarien vorbereitet".

Putin beklagte in dem Gespräch mit Biden laut Kreml, dass westliche Staaten nicht den nötigen Druck auf die Ukraine ausübten, damit diese ihre Verpflichtungen erfülle. Putins außenpolitischer Berater, Juri Uschakow, sagte der Staatsagentur Tass zufolge, die US-Warnungen vor einem Angriff Russlands auf die Ukraine seien "Hysterie". Dennoch sei das Gespräch "ziemlich ausgewogen und sachlich" gewesen.

Ein ranghoher Mitarbeiter der US-Regierung sagte, die Dynamik der vergangenen Wochen habe sich durch das Telefonat nicht grundsätzlich geändert. Die US-Seite habe Ideen auf den Tisch gelegt mit Blick auf die Sicherheit in Europa, die auch einige Bedenken Moskaus berücksichtigten. Konkreter wurde er nicht. Uschakow sagte, Putin habe zugesichert, Bidens Ausführungen hierzu zu prüfen. Zugleich sei bereits klar, dass zentrale Forderungen Moskaus nicht erfüllt würden.

Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte am Freitag erklärt, dass die USA eine russische Invasion der Ukraine noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in China am 20. Februar für möglich halten - also schon in der kommenden Woche. Die "New York Times" schrieb, die USA hätten Geheimdienstinformationen, wonach Russland den kommenden Mittwoch (16. Februar) als Zieldatum für eine Militäraktion diskutiere. Es könne aber auch sein, dass dieses Datum Teil einer Desinformationskampagne Russlands sei.

Moskau wies die Warnungen der Amerikaner auf allen Kanälen zurück. Im Telefonat mit Macron habe Putin "die Situation im Zusammenhang mit provokativen Spekulationen über eine angeblich geplante russische Invasion der Ukraine" zur Sprache gebracht, teilte der Kreml mit. Außenminister Sergej Lawrow warf den USA eine "Propaganda-Kampagne" mit "provokativen Zielen" vor. Der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, beklagte "Alarmismus" ohne Beweise.

Anders als der Westen sieht Russland eine Kriegsgefahr eher von ukrainischer Seite und befürchtet, dass diese versuchen könnte, abtrünnige Gebiete in der Ostukraine mit Gewalt zurückzuholen. Der Kreml kritisierte, dass die Ukraine vom Westen mit modernen Waffen und Munition aufgerüstet werde. Dies könne Kiew zu einer Militäroffensive in der Ostukraine ermuntern. Der Kreml beklagte, die Bemühungen um eine Lösung der Krise seien in einer "Sackgasse".

Diese gingen am Samstag auch auf anderen Ebenen weiter. Macron telefonierte laut Élyséekreisen auch mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), der am Dienstag zu Gesprächen nach Moskau reisen will. Macron sprach telefonisch außerdem mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und wollte am Abend auch noch mit Biden reden.

Selenskij zeigte sich angesichts der alarmierenden Äußerungen aus Washington irritiert und wertete diese als wenig hilfreich. "Falls Sie oder jemand anderes zusätzliche Informationen über einen 100-prozentigen Einmarsch am 16. (Februar) haben, dann geben Sie uns bitte diese Information", sagte er. Kiew sei sich bewusst, dass es Risiken gebe. Dennoch gebe es im öffentlichen Raum zu viele Berichte über einen großen Krieg Russlands gegen die Ukraine. "Der beste Freund für die Feinde ist Panik in unserem Land", sagte Selenskyj.

Amerikaner und Europäer wappnen sich dennoch längst für eine mögliche Eskalation. Mehrere Staaten, darunter Deutschland, Spanien, Italien und die Niederlande, riefen ihre Bürger am Samstag zur Ausreise aus der Ukraine auf. Zuvor hatten das unter anderem schon Großbritannien, Australien und die USA getan. Das US-Außenministerium kündigte am Samstag an, auch das Personal in seiner Botschaft in Kiew "auf ein absolutes Minimum" zu reduzieren. Außerdem zieht das US-Militär wegen Kräfte aus der Ukraine ab, die zu Trainingszwecken dort waren.

Außenministerin Annalena Baerbock betonte bei einem Besuch in Ägypten aber, die deutsche Botschaft in Kiew offen halten zu wollen. Das Personal werde jedoch reduziert. Auch andere Staaten verkleinern ihre Botschaftspräsenz in der Ukraine - unter ihnen nun auch Russland. Im Gegensatz zum Westen begründete Moskau den Schritt allerdings mit "möglichen Provokationen des Kiewer Regimes oder dritter Staaten".

Inmitten der Spannungen vertrieb Russland am Samstag nach eigenen Angaben ein amerikanisches U-Boot aus den eigenen Hoheitsgewässern im Pazifik. Das Boot habe nahe der Inselgruppe der Kurilen die russische Staatsgrenze verletzt, teilte Russlands Verteidigungsministerium mit./jac/DP/zb

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