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29.05.2023 16:50:38

ROUNDUP/Faeser: Bund beobachtet Grenze sorgfältig - Besuch in Polen

BERLIN/SWIECKO (dpa-AFX) - Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht trotz wachsender illegaler Einreisen hohe Hürden für stationäre Grenzkontrollen zu Polen - schließt sie aber nicht völlig aus. "Der Bund beobachtet die Entwicklung an den Grenzen weiterhin sorgfältig", sagte ein Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe im Dialog mit den Ländern und den Nachbarstaaten um ein Vorgehen, das der Lage angepasst sei. Die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an anderen deutschen Grenzen außer zu Österreich sehe die Bundesregierung dabei weiter als Ultima ratio (letztes Mittel) an.

An diesem Dienstag besucht Faeser mit ihrem polnischen Amtskollegen Mariusz Kaminski das Gemeinsame Zentrum der deutschen und polnischen Polizei in Swiecko (Polen) nahe dem brandenburgischen Frankfurt (Oder). Sie hofft auf eine ähnliche Vereinbarung wie für Tschechien. Ein Treffen von Faeser mit ihrem tschechischen Kollegen Vít Raku?an ergab am Freitag, dass die Wiedereinführung von Kontrollen an der Grenze zu Tschechien erstmal vom Tisch ist. Die Innenministerin warnte dort: "Grenzkontrollen träfen Pendler & Wirtschaft hart, sie können nur Ultima ratio sein."

Bund und Länder hatten auf dem Flüchtlingsgipfel am 10. Mai vereinbart, stationäre Kontrollen wie an der Grenze zu Österreich abhängig von der Lage auch an anderen Grenzen Deutschlands zu Nachbarländern einzuführen. Die CDU-Innenminister von Brandenburg und Sachsen, Michael Stübgen und Armin Schuster, dringen darauf, dass Faeser dies an den Grenzen zu Polen und Tschechien umsetzt. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) pocht darauf. Faeser verwies in einem Brief auf bisherige Schwankungen bei der Zahl der unerlaubten Einreisen über Polen, die erst seit Ende Februar über denen von Österreich lägen.

Die Zahlen der Bundespolizei zeigen, dass unerlaubte Einreisen über Polen zuletzt deutlich zugenommen haben: Von Januar bis März dieses Jahres lag die Zahl nach Angaben des Bundesinnenministeriums mit 4013 Fällen an der Spitze vor Österreich mit 3674 Fällen - anders als in den letzten drei Monaten des Jahres 2022, wo Einreisen aus Österreich (8819) vor denen aus der Schweiz (6885) und Polen (6395) lagen. Der Trend des ersten Quartals setzte sich im April fort - da waren es 2427 illegale Einreisen aus Polen und 1298 aus Österreich.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wirft dem Bund Versäumnisse vor. "Wir brauchen stärkere Instrumente und wirksame Abkommen zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber und illegaler Einwanderer", sagte er welt.de, der Online-Plattform der Zeitung "Die Welt". "Wir stehen (...) vor einem Kollaps."

Mit Blick auf die Zahl der Einreisen hatte Faeser am Donnerstag eine stärkere Schleierfahndung an den Grenzen zu Polen und Tschechien angekündigt. Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann hält das für ein Placebo: "Die Bundespolizei bleibt ein uniformiertes Begrüßungskomitee, das irregulär Einreisende in die Erstaufnahmeeinrichtung fährt", sagte er der dpa. "Es braucht Grenzkontrollen mit der Befugnis zurückzuweisen." Schleierfahndungen sind verdachts- und anlassunabhängige Personenkontrollen, die seit 1995 zulässig sind. Es gibt sie vor allem an den Außengrenzen.

Nach dem Aufenthaltsgesetz kann jemand, der illegal eingereist ist, zurückgeschoben werden. Ist er vor der Grenze, ist eine sogenannte Zurückweisung möglich. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält Kontrollen nicht für effektiv: "Ich kann halt nur in wenigen Fällen zurückweisen", sagte der Vorsitzende der GdP Bundespolizei Berlin-Brandenburg, Lars Wendland, der "Märkischen Oderzeitung" (online). Wer Asyl beantrage, werde ans Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) weitergeleitet. Faeser verweist darauf, dass auch bei der Schleierfahndung Menschen ab- und zurückgeschoben werden können.

Der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), René Wilke (Linke), warnt, ausgeweitete Kontrollen dürften den Alltag der Doppelstadt mit Slubice (Polen) nicht behindern. "Familien, Einkaufen, Kultur und Sport, Hochschulen und Kitas - das ist alles verzahnt miteinander", sagte er der dpa. "Da kann man nicht einfach die Rückwärtstaste drücken."

In den sogenannten Schengen-Staaten gibt es keine Grenzkontrollen - sie sind aber begrenzt möglich. Deutschland kontrolliert seit Herbst 2015 in Bayern an der Grenze zu Österreich, nachdem sich Zehntausende über die Balkan-Route auf den Weg nach Westeuropa gemacht hatten.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht dafür weiter großen Bedarf: "Unmittelbare Grenzkontrollen an der Grenze Bayerns zu Österreich (...) sind derzeit absolut notwendig", sagte er. Faeser hatte sie zum 12. Mai um sechs Monate verlängert.

Die Grünen lehnen stationäre Kontrollen ab. "Ich sehe massive Nachteile, was den freien Grenzverkehr angeht", sagte Brandenburgs Integrationsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Und sie verweist auf lange Staus, als es Grenzkontrollen in der Corona-Pandemie gab./vr/DP/mis

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