24.07.2022 16:04:38

ROUNDUP: Ampel-Koalition streitet über Schuldenbremse und 9-Euro-Ticket

BERLIN (dpa-AFX) - Nach der Ankündigung weiterer Entlastungen für die Energieverbraucher durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) streitet die Koalition über die Schuldenbremse. Arbeitsminister Hubertus Heil stellte die geplante Rückkehr zu der im Grundgesetz verankerten Begrenzung neuer Schulden im nächsten Jahr unter den Vorbehalt der wirtschaftlichen Lage. "Wenn wir in eine massive Rezession schlittern, muss man die Frage, ob die Schuldenbremse einzuhalten ist, in der Koalition neu bewerten", sagte der SPD-Politiker der OM-Mediengruppe (Samstag).

Auch aus den Reihen der Grünen kommen Zweifel an der Rückkehr zur Schuldenbremse. Die FDP will dagegen daran festhalten. "Manche spekulieren geradezu darauf, dass es wieder eine Ausnahme von der Schuldenbremse gibt", sagte FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner der Deutschen Presse-Agentur. "Dahinter liegt das Missverständnis, man könne dann allgemeine politische Vorhaben und Wünsche finanzieren. Das ist aber rechtlich ausgeschlossen."

Streit gibt es in der Koalition auch über eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Monatsticket für den Nah- und Regionalverkehr. SPD und Grüne sind dafür, die FDP dagegen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Freitag angesichts der explodierenden Energiepreise weitere Entlastungen der Bürger für Anfang kommenden Jahres in Aussicht gestellt, die aber vor allem im Zuge einer Wohngeldreform erfolgen sollen. Lindner sagte der dpa, die Pläne würden in den regulären Haushaltsberatungen konkretisiert. Ein Ergänzungshaushalt werde dafür nicht vorgelegt.

"Es bleibt bei unserem Ziel, das Einhalten der Schuldenbremse mit Entlastungen und Rekordinvestitionen zu verbinden", betonte der FDP-Chef. "Das erfordert aber ansonsten den Mut zu klaren Entscheidungen bei politischen Prioritäten." SPD-Fraktionsvize Achim Post betonte, dass für ihn "der Erhalt starker sozialer Leistungen und ein weiterhin hohes Niveau an Zukunftsinvestitionen höchste Priorität" in den Haushaltsberatungen haben werde.

Die seit 2011 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zielt darauf ab, dass die Haushalte von Bund und Ländern ohne Einnahmen aus Krediten auskommen. Für den Bund ist die Nettokreditaufnahme auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt. In "außergewöhnlichen Notsituationen" kann die Schuldenbremse vom Bundestag aber ausgesetzt werden, so wie in den Jahren 2021 und 2022 wegen der Corona-Krise.

Auf diese Ausnahmeregelung wies Heil hin. "Wir wissen nicht, was in den nächsten Wochen passiert. Ich nenne hier das Stichwort russisches Gasembargo", sagte er. In dem Fall könne eine Situation entstehen, "in der man das neu diskutieren muss". Auch die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Beck, verwies auf die Ausnahmeregel. Für sie sehe es "mehr und mehr nach einer solchen außergewöhnlichen Notsituation aus", sagte sie der "Bild"-Zeitung (Samstag).

Auch bei den weiteren Entlastungen gibt es Unstimmigkeiten in der Koalition. Lindner bekräftigte sein Nein zum 9-Euro-Ticket. Es sei eine befristete Maßnahme, genau wie der Tankrabatt. "Deshalb sind im Bundeshaushalt weder eine Fortsetzung des Tankrabatts noch Mittel für eine Anschlussregelung für das 9-Euro-Ticket vorgesehen", sagte Lindner der Funke-Mediengruppe. Bei dem Ticket finanzierten die Steuerzahler ein nicht kostendeckendes Angebot. Es zahlten auch jene, die es - wie auf dem Land - nicht nutzen könnten.

SPD-Chefin Saskia Esken forderte dagegen Verhandlungen über eine Nachfolgeregelung. "Verkehrsminister Volker Wissing und sein Ministerium müssen nun zügig mit den Ampel-Fraktionen und den Bundesländern ins Gespräch gehen und einen geeigneten Vorschlag für die Weiterentwicklung des 9-Euro-Tickets vorlegen", sagte sie der Funke-Gruppe.

Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang plädierte im "Tagesspiegel" für eine Fortführung: "Offensichtlich ist das Potenzial eines bezahlbaren ÖPNV in Deutschland riesig und das bundesweite 9-Euro-Ticket ein Erfolgsmodell, für das wir eine Anschlussregelung finden sollten - nicht zuletzt auch aus klimapolitischer Sicht."/mfi/DP/he

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