18.02.2022 18:32:38

ROUNDUP 4: Deutschland im Sturm - 'Es kehrt keine Ruhe ein'

(neu: Niederlande, Irland)

OFFENBACH/BERLIN (dpa-AFX) - Über Tage hinweg werden große Teile Deutschlands von Sturmwetter beherrscht. Mehrere Menschen sind dabei bereits ums Leben gekommen, der Unterricht in den Schulen fällt mancherorts aus oder wird verkürzt, der Bahnverkehr ist stark betroffen. Am späten Freitag sollte "Zeynep" beginnen zu wüten, für die Nacht zu Samstag erwartete der Deutsche Wetterdienst (DWD), dass der Orkan gegen Mitternacht die Nordseeküste erreicht. Es ist die zweite schwere Sturmlage in Deutschland innerhalb kurzer Zeit. Mindestens bis Montag soll es stürmisch bleiben, wie es vom DWD heißt. "Es kehrt einfach keine Ruhe ein", sagte ein Meteorologe. Die Niederlande und Irland meldeten erste Todesopfer.

Schwerpunkt der neuen Unwetterlage sollte den Experten zufolge bis Samstagfrüh die Nordhälfte Deutschlands sein. Der DWD gab aber auch für südlichere Regionen - Teile von Rheinland-Pfalz, Hessen und für nördliche Regionen Bayerns - Unwetterwarnungen vor orkanartigen Böen heraus.

In den Niederlanden starben mindestens zwei Menschen durch den schweren Sturm. In Amsterdam war ein Mensch am Freitagnachmittag von einem umstürzenden Baum erschlagen worden, wie die Feuerwehr mitteilte. Im Osten der Hauptstadt starb ein Mensch, nachdem ein Baum auf sein Auto gefallen war. Der Sturm mit orkanartigen Böen legte das öffentliche Leben in großen Teilen des Landes lahm. Bäume wurden entwurzelt, Dächer abgedeckt und Lastwagen stürzten um. In Den Haag blies der Wind das Dach vom Fußballstadion. Der Zug- und öffentliche Nahverkehr wurden eingestellt. Schulen sowie Test- und Impfzentren schlossen. Die extremen Wetterbedingungen sorgten zudem für Ausfälle und Verspätungen am Amsterdamer Flughafen Schiphol.

Auch in Irland kam ein Mann durch einen umgestürzten Baum ums Leben, rund 80 000 Haushalte waren von der Stromversorgung abgeschnitten. In Großbritannien legte der Sturm das öffentliche Leben am Freitag teilweise lahm und richtete Zerstörungen an. In London wurde erstmals die höchste Warnstufe Rot ausgerufen. Bürgermeister Sadiq Khan forderte die Menschen in der britischen Hauptstadt dazu auf, zu Hause zu bleiben. Der Zugverkehr in London wurde teilweise eingestellt. Wegen umherfliegender Trümmerteile bestehe Lebensgefahr, warnte der Wetterdienst Met Office. Die Londoner Feuerwehr verzeichnete innerhalb von zweieinhalb Stunden 550 Anrufe - mehr als sonst in einem durchschnittlichen 24-Stunden-Zeitraum.

Um Schäden und Unfälle zu vermeiden, sollten Bürgerinnen und Bürger auch in Deutschland zu Hause bleiben und Vorbereitungen treffen. "Alles, was auf der Terrasse ist, was nicht niet- und nagelfest ist, am besten reinholen, in die Garage stellen", sagte Christopher Rehnert, Leiter der Feuerwehr Lüdenscheid, am Freitag im ARD-"Morgenmagazin". Blumenkästen oder andere Gegenstände sollten von Balkonen entfernt werden.

Der Landkreis Goslar in Niedersachsen teilte mit, dass die Schüler und Schülerinnen am Freitag nicht überall befördert werden könnten. Deshalb wurde dort der Präsenzunterricht in allen allgemein- und berufsbildenden Schulen abgesagt. Aus Hamburg hieß es, Sorgeberechtigte könnten selbstständig entscheiden, ob ihr Kind zu Hause bleibe. Im Regierungsbezirk Arnsberg in NRW fiel ab Mittag die Schule aus. In Bochum sollten Eltern ihre Kinder früher abholen.

Die Deutsche Bahn riet Fahrgästen, ihre für den späten Freitagnachmittag geplanten Reisen möglichst vorzuziehen. "Es ist ab den Nachmittagsstunden mit erheblichen Beeinträchtigungen des Bahnbetriebs zu rechnen", teilte das Unternehmen in Berlin mit. Fern- und Regionalverkehr sollten am Freitag in Norddeutschland und Teilen Nordrhein-Westfalens nach und nach eingestellt werden. Der Schutz der Reisenden und der Beschäftigten habe Vorrang, hieß es.

Fahrgäste können ihre für den Zeitraum von Donnerstag bis Sonntag gebuchten Fahrkarten bis zum 27. Februar flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren, wenn sie Reisen wegen des Sturms verschieben.

Für die Nacht zu Samstag wurden an der Nordseeküste Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometern erwartet. In der zweiten Nachthälfte sollte "Zeynep" auf die Ostseeküste treffen und dann allmählich nachlassen. Damit sei die Unwettergefahr erst einmal gebannt, auch wenn es stürmisch bleibe, sagte ein DWD-Meteorologe.

An der Nordseeküste wurde eine Sturmflut erwartet, in Hamburg nach der Prognose des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) eine schwere Sturmflut mit Wasserständen von drei Metern über dem normalen Hochwasser in der Nacht zu Samstag. Der höchste Wasserstand werde wahrscheinlich zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr am Samstagmorgen erreicht, sagte Bernd Brügge vom BSH. An der Nordseeküste spricht man von einer Sturmflut, wenn das Hochwasser mindestens 1,5 Meter höher als normal aufläuft. Von einer schweren oder sehr schweren Sturmflut wird erst ab Werten von 2,5 beziehungsweise 3,5 Meter gesprochen. Am frühen Freitagmorgen wurde der Fischmarkt in Hamburg-Altona überspült.

In Frankreich erließ der Wetterdienst eine Unwetterwarnung für fünf Departements im Norden. Es drohten bis zu vier Meter hohe Wellen an der Küste. In den Niederlanden galt für weite Teile des Landes die schwerste Stufe des Wetteralarms, Code Rot.

Orkantief "Ylenia" brachte zuvor nach einer Analyse des Energiekonzerns Eon einen Windstrom-Rekordwert. Am Mittwoch sei mit 47,12 Gigawatt in der Spitze so viel Windstrom in das deutsche Stromnetz eingespeist worden wie nie zuvor, hieß es von Eon am Freitag in München nach Auswertung von Daten der Bundesnetzagentur. Erreicht worden sei der neue Höchstwert am Mittwochabend.

In dem vorherigen Sturm waren zuvor mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei wetterbedingten Unfällen gestorben: Zwei wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen, ein dritter starb, als sein Anhänger im Sturm auf die Gegenfahrbahn geriet und es dabei zu einem Unfall kam./kie/DP/nas

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