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21.03.2024 23:17:38

ROUNDUP 3/So intensiv wie nötig: EU bereitet neue Militärhilfe für Ukraine vor

(Neu: Gipfelerklärung zur Ukraine beschlossen)

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Ukraine kann im Abwehrkampf gegen Russland auf neue milliardenschwere Militärhilfen der EU hoffen. Am ersten Tag ihres Frühjahrsgipfels in Brüssel beschlossen Bundeskanzler Olaf Scholz und andere Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend, Pläne zur Nutzung von Zinserträgen aus dem eingefrorenen russischen Zentralbank-Vermögen voranzutreiben. Allein dieses Jahr könnten bis zu drei Milliarden Euro zusammenkommen. Scholz sagte, das Geld solle vor allem zum Kauf von Waffen und Munition verwendet werden, die die Ukraine für ihren Verteidigungskampf brauche.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mahnte in einer per Videokonferenz übertragenen Ansprache schnelle Entscheidungen an. Dass Europa bei der Lieferung von Artilleriemunition hinter seinen Möglichkeiten bleibe, sei beschämend, kritisierte er. Zudem bat er unter anderem um mehr Luftverteidigungssysteme. Es gehe nicht um Hunderte, sondern um eine erreichbare Zahl.

Botschaft an Putin

In der beschlossenen Gipfelerklärung zu dem Thema heißt es nun, die Bereitstellung aller notwendigen militärischen Hilfe werde beschleunigt. Die EU werde die Unterstützung der Ukraine "so lange wie nötig und so intensiv wie nötig" fortsetzen. Scholz sagte: "Es ist unverändert wichtig, dass wir dem brutalen russischen Angriff etwas entgegensetzen, indem wir die Ukraine unterstützen."

Der Kanzler drängte erneut die anderen EU-Mitgliedstaaten, noch mehr an Militärhilfe zu leisten. "Es müssen alle europäischen Staaten einen guten Beitrag leisten. Ich sehe da auch erkennbar Fortschritte", sagte er. Er verwies erneut darauf, dass Deutschland mit gelieferten oder bereits zugesagten Waffen im Wert von 28 Milliarden Euro der größte Unterstützer der Ukraine in der EU sei.

Konflikt zwischen Scholz und Macron liegt auf Eis

Den Beschluss des Pariser Ukraine-Gipfels von Ende Februar, jetzt auch außerhalb der EU Waffen und Munition im großen Stil einzukaufen, bezeichnete Scholz als "großen Durchbruch". Nach diesem Gipfel war es allerdings auch zu einem offenen Konflikt zwischen Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gekommen.

Macron hatte den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine für die Zukunft nicht ausgeschlossen. Scholz hatte einen Tag später dagegen gehalten und versprochen, dass er keine deutschen Soldaten in die Ukraine schicken und die Nato sich nicht am Krieg beteiligen werde. Ende vergangener Woche trafen sich Scholz und Macron mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk in Berlin, um die Wogen zu glätten und ein Zeichen der Einigkeit auszusenden. Der Streitpunkt Bodentruppen wurde einfach ausgeklammert.

Estland wirbt für 0,25-Prozent-Ziel

Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas warb beim EU-Gipfel für ein einheitliches Ziel für Militärhilfen. Wenn jedes Land mindestens 0,25 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Militärhilfen zur Verfügung stellen würde, könnten die Ukrainer Russland übertrumpfen, sagte sie. Eine Einigung darauf gilt derzeit allerdings als ausgeschlossen.

Nach Zahlen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) müssten Länder wie Frankreich, Italien und Spanien ihre Ausgaben dann extrem steigern, da sie derzeit mit einer Quote von rund 0,07 Prozent deutlich unter der 0,25-Prozent-Marke liegen. Deutschland lag demnach zuletzt bei rund 0,6 Prozent.

Russisches Geld soll indirekt Ukraine aufrüsten

Den Vorschlag zur indirekten Verwendung russischer Gelder für die Ukraine hatten Borrell und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Regierungen der EU-Staaten am Mittwoch kurz vor dem Gipfel übermittelt. Er sieht konkret vor, dass 90 Prozent der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung russischer Gelder in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden sollten. Die restlichen 10 Prozent würden dann in den EU-Haushalt fließen und genutzt werden, um die Verteidigungsindustrie in der Ukraine selbst zu stärken.

Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinseinnahmen gemacht zu haben.

Wann die ersten Gelder für die Ukraine verwendet werden könnten, blieb am Donnerstag zunächst unklar. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer machte deutlich, dass sein Land sich erhofft hätte, dass die Gelder nur in den Wiederaufbau der Ukraine investiert würden. Für neutrale Staaten wie Österreich müsse sichergestellt werden, dass sie sich durch ihre Zustimmung nicht an der Lieferung von Waffen und Munition beteiligten. Aus Sicht der Kommission wird dieses Problem dadurch gelöst, dass nur ein Teil des Geldes für Waffen und Munition ausgegeben werden soll.

Warnungen aus Moskau

EU-Beamte betonen zudem, dass es bei dem Projekt nur um Einnahmen geht, die Euroclear außerplanmäßig wegen der EU-Sanktionen gegen die russische Zentralbank mache. Es ist demnach vorerst keine Enteignung im eigentlichen Sinne geplant.

Als ein Grund dafür gelten rechtliche Bedenken und wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen. Moskau hatte die EU bereits im vergangenen Jahr davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder russischer Bürger zu konfiszieren. Denkbar wäre es beispielsweise, dass dann auch in Russland tätige Unternehmen aus EU-Ländern zwangsenteignet werden. Zudem könnte eine direkte Nutzung der russischen Vermögenswerte auch dazu führen, dass andere Staaten und Anleger das Vertrauen in den europäischen Finanzplatz verlieren und Vermögen aus der EU abziehen.

Selenskyj forderte die EU in seiner Videoansprache indirekt auf, sich darum nicht zu scheren. Es sei angemessen, sowohl die Gewinne als auch die Vermögenswerte selbst zu nutzen, um den russischen Terror zu stoppen, sagte er. Russland müsse sich der tatsächlichen Kosten des Krieges und der Notwendigkeit eines gerechten Friedens bewusst sein. Der stellvertretende ukrainische Regierungschef Oleksandr Kubrakov hatte die von Russland verursachten Kriegsschäden zuletzt auf 500 Milliarden Euro beziffert und sich dabei auf aktuelle Zahlen der Weltbank, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen berufen./aha/DP/mis

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