23.08.2022 19:55:38
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ROUNDUP 3/RBB-Krise: Suche nach Interims-Intendanten
(neu: Medienstaatssekretär Grimm)
BERLIN (dpa-AFX) - In der Krise beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) rund um die fristlos entlassene Intendantin Patricia Schlesinger arbeiten Vertreter der Kontrollgremien an einer Interims-Lösung an der Senderspitze. Am Montag hatte sich der RBB-Verwaltungsrat für die Berufung eines Interims-Intendanten ausgesprochen, um den öffentlich-rechtlichen ARD-Sender aus der Krise zu führen.
Am Dienstag sprachen die Länder Berlin und Brandenburg mit Vertretern der RBB-Gremien. Brandenburgs Medienstaatssekretär Benjamin Grimm (SPD) teilte am Dienstag nach einem Gespräch in Potsdam mit: "Unser gemeinsames Ziel ist es, das Prozedere für die rechtssichere Wahl eines Interims-Intendanten durch den Rundfunkrat zu klären." Brandenburg hat derzeit die Rechtsaufsicht über den RBB. "Die Fragen der amtierenden Gremienvorsitzenden werden wir als Staatskanzlei nun prüfen und ihnen beantworten."
Am Donnerstag trifft sich der Rundfunkrat - das zweite Kontrollgremium neben dem Verwaltungsrat. Aktuell führt der krankgeschriebene Verwaltungsdirektor Hagen Brandstäter die Geschäfte, der wegen der Aufarbeitung der Krise um Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen Schlesinger ebenfalls in der Kritik steht. Weil Brandstäter krankgeschrieben ist, übernimmt der dienstälteste Direktor die Geschäfte - das ist Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus.
Vertreter des Redaktionsausschusses beim RBB forderten den Rücktritt der gesamten RBB-Geschäftsleitung. Die anderen ARD-Häuser hatten zudem erklärt, ihr Vertrauen in die Führung bei der Aufarbeitung der Vorwürfe gegen Schlesinger verloren zu haben - ein einzigartiger Vorgang in der ARD-Geschichte.
Der brandenburgische SPD-Fraktionschef Daniel Keller hält es für wichtig, dass eine Interims-Intendanz von außen kommt. Er betonte am Dienstag, zunächst gehe es um die Aufklärung. Keller sprach sich für einen Neuanfang von Rundfunk- und Verwaltungsrat aus, die Institutionen müssten aber entscheiden, ob sie jeweils neue Personen schickten oder nicht. CDU-Fraktionschef Jan Redmann forderte, dass sich der Rundfunkrat schon in diesem Jahr neu konstituiert. Die Legislaturperiode des aktuellen Rundfunkrats läuft rund um den Jahreswechsel aus.
Schlesinger wurde indes fristlos entlassen und bekommt keine Abfindung. Die Entscheidung sei mehrheitlich gefallen, hieß es vom Verwaltungsrat am Montag. Man wolle die Rechte des RBB gegenüber der 61-Jährigen im Interesse der Beitragszahler bestmöglich wahren. Zudem solle Schlesinger auch keine Pensionsansprüche aus ihrer RBB-Zeit erhalten. Vor einer Woche war sie vom Rundfunkrat bereits abberufen worden.
Schlesinger ließ über ihren Anwalt zur außerordentlichen Kündigung mitteilen: "Ich bedaure diese Entscheidung, die offensichtlich politisch motiviert ist, um einen Sündenbock zu haben. Dieses Vorgehen ist durch die Faktenlage keinesfalls gedeckt." Weiter hieß es: "Die Untersuchungen sind längst nicht abgeschlossen. Ich sehe ihrem Ergebnis zuversichtlich entgegen."
Der Verwaltungsrat äußerte sich am Montag auch zu der Idee eines Interims-Chefs für den Sender. Man sei der Überzeugung, dass die Strukturanalyse und Neuaufstellung nur glaubwürdig durch externe Unterstützung gelingen kann, wie Verwaltungsratschefin Dorette König sagte. Man wolle in den nächsten Tagen einen Fahrplan dafür entwickeln. Man habe die aktuelle RBB-Geschäftsleitung zugleich gebeten, zur Sicherstellung der Stabilität ihre Aufgaben zunächst weiter wahrzunehmen.
Schlesinger sieht sich seit Ende Juni durch Berichte vor allem des Online-Mediums "Business Insider" zahlreichen Vorwürfen des Filzes und der Vetternwirtschaft ausgesetzt. Sie war seit Jahresbeginn ARD-Vorsitzende und seit 2016 RBB-Intendantin. Von beiden Ämtern trat sie zurück.
Im Zentrum des Skandals steht neben der abberufenen Intendantin auch der zurückgetretene RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf. Beide wiesen die gegen sie gerichteten Vorwürfe zurück. Es geht unter anderem um umstrittene Beraterverträge für ein RBB-Bauprojekt, um Abstimmungen zwischen beiden zu Gehalt und Boni für Schlesinger. Und es geht um Aufträge für ihren Ehemann, den Ex-"Spiegel"-Journalisten Gerhard Spörl, bei der Messe Berlin - wo Wolf bis vor kurzem in Personalunion auch Chefaufseher war.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen alle drei wegen des Verdachts der Untreue und der Vorteilsannahme. Es gilt die Unschuldsvermutung. Es läuft zudem eine externe Untersuchung einer Anwaltskanzlei. Es liegen noch keine Ergebnisse vor./rin/DP/he
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