04.02.2014 15:03:32

ROUNDUP 2/Studie: Bundesregierung macht Schwarzarbeit attraktiver

    TÜBINGEN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung schafft einer Studie zufolge neue Anreize, Geld mit Schwarzarbeit zu verdienen. Die Pläne für einen gesetzlichen Mindestlohn und die Rente mit 63 führen dazu, dass in Zukunft mehr Geld am Staat vorbei verdient werde, heißt es in einer Studie der Universität Linz und des Tübinger Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW). Nachdem die Vorgängerregierungen gut zehn Jahre lang dafür gesorgt hätten, dass sich legale Arbeit stärker lohne, gebe es allmählich eine Kehrtwende. Nur wegen der stabilen Konjunktur werde im Moment weniger schwarzgearbeitet, weil viele Menschen einen regulären Job fänden.

    Nach der am Dienstag veröffentlichten Modellrechnung werden in der Schattenwirtschaft in diesem Jahr 338,5 Milliarden Euro umgesetzt. Das entspräche 12,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und wäre der niedrigste Wert seit mehr als 20 Jahren. 2013 lag die Schattenwirtschafts-Quote noch um 0,2 Prozentpunkte höher.

    Doch dieser Rückgang ist so schwach wie seit vielen Jahren nicht. Und während in den vergangenen Jahren Arbeitsmarktreformen wie die Einführung von Minijobs die Schwarzarbeit unattraktiver machten, habe die Politik in diesem Jahr keinen Anteil an dem Rückgang, erklärten IAW-Direktor Bernhard Boockmann und der Linzer Schattenwirtschafts-Experte Friedrich Schneider. Der Rückgang sei ausschließlich eine Folge der stabilen Konjunktur: Weil die Chancen auf einen regulären Job im Moment gut sind, fehle den Menschen die Zeit und die Motivation für Schwarzarbeit, sagte Boockmann.

    Doch in den kommenden Jahren werde die große Koalition der Schwarzarbeit voraussichtlich wieder Vorschub leisten. "Das macht sie natürlich nicht absichtlich, aber indirekt, indem sie reguläre Arbeit teurer macht", sagte der IAW-Direktor. Pläne wie der flächendeckende Mindestlohn, die Rente mit 63 oder die höheren Beiträge zur Pflegeversicherung machten legale Arbeit unattraktiver. Zusammengerechnet erwarten die Experten durch diese Maßnahmen ein Wachstum der Schattenwirtschaft um drei Milliarden Euro pro Jahr.

    Noch stärker wirkt sich demnach aus, dass die Bundesregierung die kalte Progression, also den heimlichen Steueranstieg durch Lohnerhöhungen, nicht ausgleichen will. Das mache reguläre Arbeit unattraktiver und stärke die Schattenwirtschaft um 5,3 Milliarden Euro. "Gerade für Menschen mit mittlerem Einkommen steigt dadurch der Reiz, die höheren Abgaben zu umgehen und in die Schattenwirtschaft auszuweichen", sagte Boockmann. "Wenn die große Koalition keine kompensierenden Effekte beschließt - und im Koalitionsvertrag ist dazu nichts abzusehen - dann rechnen wir tatsächlich in den nächsten Jahren mit einem Anstieg der Schattenwirtschaft."

    Stark verbreitet sei Schwarzarbeit auf dem Bau und in der Gastronomie, erklärte Schneider. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geht davon aus, dass dadurch mindestens 500 000 reguläre Arbeitsplätze vernichtet werden. "Die legal arbeitenden Betriebe, die ihre Beiträge und Steuern abführen, müssen mit den Preisen von Schwarzarbeitern konkurrieren. Da ist der Ehrliche letztlich der Dumme", sagte Harald Schröer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe.

    Häufig sind aber auch Privathaushalte die Auftraggeber von Schwarzarbeitern, etwa wenn die Babysitterin ihr Geld jedes Mal in bar auf die Hand bekommt. In einem solchen Fall droht nach Angaben des Zolls ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung und Vorenthaltung von Sozialabgaben. Wenn ein Schwarzarbeiter nebenher noch Hartz IV bezieht, komme der Vorwurf des Sozialbetrugs hinzu.

    Da sich Schwarzarbeit nicht direkt messen lässt, erfassen die Experten für die Prognose Faktoren, die Auswirkungen auf die Schwarzarbeit haben. Daraus leiten sie das Volumen der Schattenwirtschaft ab. Unter Schattenwirtschaft verstehen sie dabei vor allem Schwarzarbeit, aber auch kriminelle Aktivitäten. Der große Verlierer durch Schwarzarbeit sind der Staat und die Sozialversicherungsträger. Ihnen gehen nach Schneiders Schätzungen rund 50 bis 60 Milliarden Euro pro Jahr verloren./mhe/DP/hbr

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