25.03.2022 21:14:38

ROUNDUP 2: Energie-Streit beim Gipfel: Kein Preisdeckel, aber Kaufkraft bündeln

(neu: mehr Details und Hintergrund)

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der Umgang mit den hohen Energiepreisen hat für stundenlangen Streit beim EU-Gipfel in Brüssel gesorgt. Am Ende einigten sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Kollegen am Freitagabend darauf, den Weg für gemeinsame Gaseinkäufe frei zu machen, um die Einkaufspreise so zu drücken. "Anstatt uns gegenseitig zu überbieten und die Preise in die Höhe zu treiben, werden wir unsere Nachfrage bündeln", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitagabend. Keine Einigung gab es hingegen bei härteren Markteingriffen wie einem Preisdeckel, wie sie unter anderem von Spanien gefordert wurden.

Man habe verschiedene Optionen geprüft um die Auswirkungen hoher Energiepreise auf Verbraucher und Unternehmen abzufedern, sagte von der Leyen. Darunter seien Einkommenshilfe, Steuersenkungen, die Regulierung von Preisen und auch Obergrenzen für Preise. "Alle von uns vorgestellten Optionen haben Vor- und Nachteile." Am wichtigsten sei jedoch, die tiefere Ursache der hohen Preise anzugehen. Diese liege zum großen Teil in den Schwankungen der Gaspreise. "Ich begrüße, dass wir unsere gemeinsame Verhandlungskraft nutzen werden."

Bei Pipeline-Gas repräsentiere die EU etwa 75 Prozent des Marktes. "Wir haben eine enorme Kaufkraft", sagte von der Leyen. Die Teilnahme an den gemeinsamen Einkäufen soll freiwillig sein. Bereits am Morgen hatte von der Leyen einen Deal mit US-Präsident Joe Biden präsentiert, wonach die EU künftig große Mengen an Flüssiggas (LNG) aus den USA beziehen soll, um die Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland zu reduzieren.

Vor allem Spanien hatte auf deutlich umfassendere Maßnahmen gedrungen. Dazu gehört auch, den Strom- vom Gaspreis zu lösen, denn beide sind in der EU aneinander gekoppelt. Spanien, Griechenland, Italien und Portugal befürworten zudem einen Preisdeckel. Länder wie Deutschland und die Niederlande lehnen einen solchen Markteingriff jedoch ab. Scholz sagte: "Deutschland und viele andere Länder sind sehr skeptisch, wenn es um Markteingriffe geht, weil die Gefahr groß ist, dass man keine gute Wirkung hat, was die Marktversorgung betrifft und keinen nachhaltigen Effekt erwirkt, was die Preise betrifft."

Die Diskussion der Staats- und Regierungschefs ging deshalb deutlich länger als geplant. Mehrfach musste die Sitzung unterbrochen werden, um neue Kompromissformeln auszuarbeiten. In der gemeinsamen Abschlusserklärung hieß es nun, die EU-Staaten und die Kommission sollten mit Akteuren des Energiesektors erörtern, ob und wie unter anderem Preisobergrenzen oder Steuernachlässe dazu beitragen könnten, den Gaspreis zu senken und seine "Ansteckungswirkung" auf die Strommärkte zu bekämpfen.

Die Energiepreise waren schon vor dem Ukraine-Krieg stark gestiegen. Seit der russischen Invasion versucht die EU nachdrücklich, sich von Energieimporten aus Russland zu lösen. So kamen zuletzt noch rund 40 Prozent des verbrauchten Gases in der EU aus Russland. Bis Ende des Jahres soll die Menge möglichst um zwei Drittel reduziert werden.

Helfen soll Flüssiggas (LNG) aus den USA. Allein in diesem Jahr wollen die USA mit internationalen Partnern zusätzlich 15 Milliarden Kubikmeter LNG für die EU bereitstellen, wie von der Leyen und Biden am Freitag mitteilten. Langfristig soll die Menge auf 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigen. Damit könnte nach Kommissionsangaben etwa ein Drittel der derzeitigen Gasimporte aus Russland ersetzt werden. In diesem Jahr sollen es ein Zehntel sein. Biden hatte am Vortag als Gast am EU-Gipfel teilgenommen, um über das weitere Vorgehen wegen des Kriegs in der Ukraine zu beraten. Von der Leyen sagte, die Zusage der USA über 15 Milliarden Kubikmeter sei ein großer Schritt, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.

Für die USA ist der durch Russlands Krieg gegen die Ukraine zustande gekommene Deal attraktiv. Washington versucht bereits seit Jahren, mehr LNG auf dem europäischen Markt zu verkaufen.

Gas wird in den USA meist mittels der umstrittenen Fracking-Methode gefördert. Dabei wird unter hohem Druck eine Flüssigkeit in den Boden gepresst, um das Gestein durchlässiger zu machen und Gas oder auch Öl fördern zu können. Kritiker warnen vor umweltschädlichen Emissionen und einer möglichen Gefährdung des Grundwassers. So will etwa der US-Bundesstaat Kalifornien Fracking ab 2024 verbieten./dub/DP/jha

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