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Medienberichte 26.06.2024 22:06:00

Rivian-Aktie springt hoch: VW plant Milliardeninvestition in Rivian - VW-Aktionäre nicht begeistert

Rivian-Aktie springt hoch: VW plant Milliardeninvestition in Rivian - VW-Aktionäre nicht begeistert

Volkswagen holt sich bei Elektroautos Hilfe vom Tesla-Herausforderer Rivian - und nimmt dafür Milliarden in die Hand. Europas größter Autobauer will bis zu fünf Milliarden Dollar ausgeben und gemeinsam Technik für künftige Fahrzeuge entwickeln. Für Rivian ist es eine höchst willkommene Geldspritze: Die Firma schreibt nach wie vor rote Zahlen und hat aktuell mit einem sinkenden Interesse an Elektroautos in den USA zu kämpfen.

Ein Händler betonte, dass der Mittelabfluss belasten dürfte. Auf lange Sicht dürfte die Entscheidung allerdings strategisch sinnvoll sein, sofern das Projekt am Ende auch erfolgreich ist.

Die Kooperation ist recht eng gefasst: Software, Steuercomputer sowie Netzwerk-Architektur. Ein zentraler Punkt: Volkswagen wird für neue Autos in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auf Rivians Technologie und Software einschwenken. Der Autoriese könnte damit viel Geld im Vergleich zu einer Entwicklung der Technik in Eigenregie sparen. Rivian-Chef RJ Scaringe betonte in einer Telefonkonferenz am Dienstag, dass andere Bereiche wie Batterien oder Antriebstechnik nicht Teil der Partnerschaft seien.

Damit die Hersteller immer neue Funktionen bieten können, sammelten sich in Autos schon seit Jahren mehr und mehr Steuereinheiten und längere Kabelstränge an. Mit dem Vormarsch von Elektroautos kam auch ein Wettstreit bei neuen Fahrzeug-Architekturen in Gang. Die Trends: Weniger Komplexität und ein Fokus auf Software. Tesla war ein Vorreiter - ein Computer auf Rädern.

Rivians Architektur: Zonen-Modell statt zu vieler kleiner Computer

Rivian entwickelte von Anfang an eine eigene Architektur, in der die Auto-Elektronik in mehrere Zonen mit eigenen Computern aufgeteilt wird. In der ersten Generation der Rivian-Plattform seien noch 17 dieser Steuereinheiten nötig gewesen, sagte Scaringe. Jetzt zur zweiten Generation habe man die Zahl auf sieben gedrückt.

VW hat seit Jahren mit Problemen bei der hauseigenen Software-Entwicklung für Elektroautos zu kämpfen, dadurch verzögerten sich bereits Modellstarts. Scaringe legte am Dienstag den Finger in die Wunde. Man habe in den vergangenen Jahren erkannt, dass etablierte Hersteller Schwierigkeiten bei eigener Software hätten.

Er sieht den Grund dafür darin, wie das Geschäft der Autobauer über Jahrzehnte lief: Viel Technik wurde bei verschiedenen Zulieferern eingekauft, "im Ergebnis hatte man eine Menge kleiner Computer, die an ganz bestimmte Funktionen angebunden waren". Wenn man aus dieser Welt komme, tue man sich schwer damit, eine Architektur nach dem Zonen-Prinzip zu entwickeln, bei der eine Steuereinheit Funktionen über mehrere Bereiche hinweg übernehme. Rivian ordnete diese ECUs (Electronic Control Unit) verteilt im Fahrzeug an, um den Weg für die Datenübermittlung zu verkürzen.

Experte: Ein Schnäppchen für VW

Rivian sei einer der weniger Hersteller, die eine solche Zonen-Architektur in der Serienproduktion hätten - und damit wertvoll für VW, kommentierte den Deal der Autoanalyst der Marktforschungsfirma Garter, Pedro Pacheco. Wenn man bedenkt, wie viel Geld Volkswagen bereits in die Entwicklung einer eigenen Plattform investiert habe, seien die Milliarden für Rivian "ein echtes Schnäppchen" für den deutschen Konzern. Der Deal sende auch ein Signal, dass Dinge, die man einst selber entwickelte, nun von einem anderen Hersteller kommen könnten. Zugleich warf Pacheco die Frage auf, was Hersteller mit ihren eigenen Autosoftware-Teams machen, wenn sie so viel zukaufen.

Der Plan von Rivian und VW sieht ein Gemeinschaftsunternehmen vor, in dem für beide Hersteller entwickelt werden soll. Die Milliarden sollen Rivian nach und nach zufließen. Erst kauft VW Wandelanleihen für eine Milliarde Dollar. Kommt das gemeinsame Entwicklungslabor zustande, zahlt VW eine weitere Milliarde, kauft in zwei Tranchen Aktien für jeweils eine Milliarde 2025 und 2026 und gibt eine weitere Milliarde als Kredit.

Volkswagen bekam zuletzt mehr und mehr Schwierigkeiten beim offensiven Kurs in Richtung Elektromobilität. In Europa ist die Nachfrage schwach, in China ist der Wettbewerb mit günstigen heimischen Herstellern hart. In den USA will der Konzern mit Elektroautos deutlich Marktanteile gewinnen und hatte dafür hohe Investitionen bereits angekündigt.

1,45 Milliarden Dollar Verlust bei 13.600 Auslieferungen

Rivian lieferte im vergangenen Quartal knapp 13.600 Elektroautos aus und machte dabei 1,2 Milliarden Dollar Umsatz sowie 1,45 Milliarden Dollar Verlust. Die Firma ist in zwei in den USA populären Fahrzeug-Kategorien aktiv: Große SUVs und Pickups. Außerdem baut Rivian für Amazon elektrische Lieferwagen, die inzwischen auch in Europa zu sehen sind. Der weltgrößte Online-Händler ist ebenfalls ein Investor.

Die Stimmung unter den Tesla-Herausforderern, die sich ein immer schnelleres Tempo beim Elektroauto-Absatz erhofften, ist verhalten. Gerade in den USA greifen viele Käufer aktuell lieber zu Hybrid-Modellen, auch bei Tesla ist das Wachstum plötzlich gebremst. Die Firma Fisker musste einen Insolvenzantrag stellen. Ihr SUV-Modell Ocean kam mit Verzögerungen auf den Markt und verärgerte einige Käufer und Tester mit Software-Problemen.

So reagiert die Rivian-Aktie

Die Rivian-Aktie reagiert sehr positiv auf die Meldungen und verbuchte am Dienstag an der NASDAQ letztlich Gewinne in Höhe von 8,95 Prozent auf 11,96 US-Dollar. Am Mittwoch ging es dann um weitere 23,24 Prozent nach oben auf 14,74 US-Dollar.

Im bisherigen Jahresverlauf haben die Rivian-Aktien knapp die Hälfte ihres Werts verloren. Von den historischen Höchstständen bei fast 180 Dollar sind sie ungeachtet der zu erwartenden Erholung weit entfernt.

Warum die VW-Aktie abgibt - Kritik an Kosten

Die Freude der Volkswagen-Aktionäre über eine Kooperation mit dem US-Elektroautobauer Rivian hat am Mittwoch nicht lange angehalten. Beobachter begrüßten diese zunächst. Doch dann verschafften sich zunehmend kritische Bewertungen Gehör - auch mit Blick auf die geplanten, hohen Investitionen der Wolfsburger.

Nach moderaten vorbörslichen Gewinnen zeigen sich die VW-Anteilsscheine im XETRA-Handel schwach. Letztlich büßten sie 1,64 Prozent auf 104,80 Euro ein. Damit brachen sie die jüngst vorsichtige Erholung ab und nahmen wieder Kurs auf ihr jüngstes Tief seit November bei 103,80 Euro. Mit einem Jahresverlust von rund 6 Prozent hinken sie dem deutschen Leitindex weiter klar hinterher.

Die VW-Titel waren zur Wochenmitte auch im europäischen Branchenvergleich unter den größten Verlierern. Der Sektor selbst, über dem noch immer das Damoklesschwert des ungelösten Zollstreits zwischen der EU und China hängt, war mit minus 0,6 Prozent am Ende der Branchenübersicht.

VW will in den kommenden Jahren bis zu 5 Milliarden US-Dollar in Rivian stecken. Zunächst erwirbt das Unternehmen Wandelanleihen. Danach wollen die Wolfsburger ein Gemeinschaftsunternehmen mit den Amerikanern gründen. Die Kooperation dürfte zwar langfristig strategisch sinnvoll sein, falls sie Erfolg habe, kommentierte ein Händler. Zunächst belaste allerdings der damit verbundene Barmittelabfluss.

Ein weiterer Börsianer merkte an, dass VW die Partnerschaft weniger als ein Jahr nach Abschluss einer ähnlichen Kooperation mit dem chinesischen Elektroautobauer Xpeng bekannt gegeben habe. Dies belege einmal mehr die fehlende eigene Kompetenz im Bereich Elektronikkomponenten und Software. VW scheine sein Schicksal damit in die Hände von zwei Unternehmen zu legen, die Verluste schrieben.

Die Analysten der UBS verwiesen zudem auf die generell durchwachsenen Erfolgsgeschichten von Gemeinschaftsunternehmen in der Branche. Es bleibe abzuwarten, wie gut die Start-Up-Kultur von Rivian und der "Supertanker" VW letztlich wirklich zusammenpassten.

Es gab aber auch lobende Stimmen. Analyst Jose Asumendi von der US-Bank JPMorgan sprach von einem Schritt in die richtige Richtung, auch wenn es noch an Details zur geplanten Zusammenarbeit mit Rivian mangele. Citigroup-Experte Harald Hendrikse betonte, entscheidend sei die Bestätigung, dass VW dank des Deals der Zugriff auf eine funktionierende Technologie billiger gelinge als bei einer eigenen Entwicklung. Der Deal könnte VW in der Entwicklung elektrischer beziehungsweise elektronischer Architektur für die Fahrzeuge sofort mehrere Schritte voranbringen, ergänzte Warburg-Analyst Fabio Hölscher.

FRANKFURT (Dow Jones) /

WOLFSBURG/IRVINE (dpa-AFX)

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Bildquelle: David Becker/Getty Images,Michael Vi / Shutterstock.com

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