13.11.2013 20:21:15
|
Rheinische Post: Die neue SPD - links und frei
Düsseldorf (ots) - Nehmen wir an, der gesunde Menschenverstand
würde heute beim SPD-Bundesparteitag in Leipzig Regie führen. Dann
müsste es ein Scherbengericht für die SPD-Führung geben. Die Partei
wurde bei der Bundestagswahl mit ihrem zweitschlechtesten Ergebnis in
der bundesrepublikanischen Geschichte abgestraft. Seit 1998 hat die
SPD knapp neun Millionen Wähler verloren. Die Themen verpufften, beim
Haustürwahlkampf blickten die Genossen in enttäuschte Gesichter. Die
Deutungshoheit über die Mitte der Gesellschaft, die SPD-Chef Sigmar
Gabriel im Herbst 2009 eingefordert hatte, hat die stolze Partei an
die 42-Prozent-Kanzlerin abgegeben. Anlass genug für eine
Wahlanalyse. Eigentlich. Doch was wird passieren? Die SPD will eine
neue Machtoption für 2017 beschließen. Um von der ungeliebten
Koalition mit der Union abzulenken, retten sich die Spitzengenossen
in eine rot-rot-grüne Zukunft. "Links und frei", so lautete einst der
Titel der Willy-Brandt-Autobiografie. Das ist aus zwei Gründen
bedauerlich. Zunächst einmal belegt der Kurs, dass der SPD-Chef die
politische Mitte weiterhin links verortet. Weite Teile der
Linkspartei verharmlosen das DDR-Regime, sie wollen die Nato auflösen
und Spitzenverdiener fast prohibitiv besteuern. SPD-Chef Gabriel
selbst erinnerte im Wahlkampf angewidert daran, dass Abgeordnete der
Linken beim Besuch des israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres
2010 im Bundestag antisemitische Tendenzen offenbarten. Nun also ein
möglicher Bündnispartner. Warum fragt sich die SPD nicht, ob die Wahl
vielleicht auch deshalb verloren wurde, weil viele Bürger zwar den
pragmatischen Finanzexperten Peer Steinbrück, aber nicht das vor
Sozialstaatsromantik wimmelnde Programm wählen wollten? Wie viel
sozial gerechter soll das Programm 2017 denn aussehen? Zurück zur
Rente mit 65? Bedingungsloses Grundeinkommen? Zweitens lenkt die
Parteiführung unnötig von der viel wichtigeren Debatte ab, ob die
große Koalition nicht auch eine große Chance für das Land und die SPD
sein könnte. Tatsächlich hat die Sozialdemokratie bei den Themen
Mieten, Niedriglohnsektor, doppelte Staatsbürgerschaft,
Volksentscheid und Familienpolitik schon jetzt inhaltliche Erfolge
erreicht. Die SPD könnte das gesellschaftspolitische Korrektiv in
einer großen Koalition sein, sich als Partei der Aufsteiger und der
Chancengerechtigkeit etablieren. Sie könnte sich politisch
emanzipieren von ihrer Logik der Staatsfürsorge. In seiner
Autobiografie hatte Willy Brandt die sozialliberale Ära als Weckruf
für die verkrustete Gesellschaft begründet. Davon ist die Gabriel-SPD
weit entfernt.
OTS: Rheinische Post newsroom: http://www.presseportal.de/pm/30621 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30621.rss2
Pressekontakt: Rheinische Post Redaktion
Telefon: (0211) 505-2621
![](https://images.finanzen.at/images/unsortiert/wertpapierdepot-absichern-aktienchart-boerse-750493204-260.jpg)
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!