Chaos in den USA 13.06.2020 21:22:00

Realwirtschaft und Aktienmärkte driften auseinander: Droht den Aktien ein erneuter Rückschlag

Realwirtschaft und Aktienmärkte driften auseinander: Droht den Aktien ein erneuter Rückschlag

Im Grunde sollen Aktienmärkte der Realwirtschaft vorausgehen und ein Indikator für die zukünftige makroökonomische Entwicklung sein. Wie der Ökonom Mathias Binswanger auf seiner Website beschreibt, hängt dieser Mechanismus mit den erwarteten Dividenden zusammen. Diese bestimmen nämlich im Wesentlichen die gegenwärtigen Aktienkurse. Nur wenn Investoren zuversichtlich in die Zukunft blicken, erwerben sie auch Unternehmensanteile. Im Falle realistischer Einschätzungen, muss demnach auf die Kursgewinne ein Wachstum der Wirtschaft folgen.

In der Theorie ist diese zeitversetzte Abhängigkeit durchaus logisch. Die aktuellen Geschehnisse in den USA zeigen jedoch, dass eine Entkopplung stattgefunden hat.

Die USA in der Krise

Die Vereinigten Staaten haben derzeit gleich mit mehreren sensiblen Themen zu kämpfen. Im Vordergrund stehen hierbei die öffentlichen Unruhen als Folge des schockierenden Todes von George Floyd. Etliche Bürger gehen massenweise auf die Straße, um ihrer Empörung Gehör zu verschaffen und gegen Polizeigewalt sowie Rassismus zu demonstrieren. Die aufgekommenen Proteste gingen in vielen Städten mit massiven Ausschreitungen, Randalen und Plünderungen einher. Mit seiner Drohung, gegen gewaltsame Protestierende das US-Militär aufmarschieren zu lassen, trug Präsident Trump nur wenig zur Deeskalation bei.

Doch es gibt noch weitere Brennpunkte in den USA. Das Coronavirus forderte bereits das Leben von über 100.000 US-amerikanischen Bürgern. Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit aufgrund der Proteste etwas in den Hintergrund rückte, ist das Virus noch lange nicht aus den Staaten verschwunden. Die engen Kontakte der Demonstranten könnten erneut zu einem starken Anstieg der Infektionszahlen führen und eine zweite Welle der Krankheit über das Land bringen. Das Coronavirus hat bereits jetzt über 40 Millionen Amerikaner in die Arbeitslosigkeit getrieben. Eine wiederholte Verschärfung der gesundheitlichen Lage würde die US-Wirtschaft noch stärker beeinträchtigen. Hinzu kommt außerdem ein tiefes Zerwürfnis zwischen den USA und China. Bezüglich des Ausbruchs des Coronavirus hat Donald Trump schwere Vorwürfe gegen das Land der Mitte erhoben. Der Konflikt zwischen den beiden Weltmächten erreichte deshalb mit der Pandemie einen neuen Höhepunkt.

Aktienmärkte boomen wieder

Angesichts dieser zahlreichen Missstände, ist es umso überraschender, dass sich die Aktienmärkte komplett unbeeindruckt zeigen. Der Dow Jones knackte erstmals seit über drei Monaten wieder die Marke von 27.000 Punkten (Stand: 08. Juni 2020). Darüber hinaus haben der Nasdaq und der S&P 500 beide erneut das Niveau ihrer Vor-Krisen-Höchstwerte erreicht.

Für diese Entwicklung können vor allem zwei Gründe ausfindig gemacht werden. Zum einen ist das die große Anreizsetzung der Federal Reserve. Der Leitzins wurde auf Null gesenkt und die Bank versprach uneingeschränkt Anleihen zu kaufen. Zum anderen feuert die Bestrebung der Anleger, früh an den Profiten der wirtschaftlichen Erholung mit zu verdienen, die Märkte an. Vergangene Krisen haben gezeigt, dass die Kurse nach einem Tief schnell wieder ansteigen können und sich dadurch hohe Renditen erzielen lassen.

Die Gefahr eines erneuten Kurseinbruchs

Joe Brusuelas, Chefökonom bei RSM International, sagte gegenüber CNN, dass er sich nicht an eine Zeit erinnern könne, in der die Diskrepanz zwischen der Wall Street und der Realwirtschaft so groß gewesen ist. Der Markt würde nicht länger einen realitätsbezogenen Zukunftsausblick widerspiegeln. Dies sei ein großes Problem, da die Öffentlichkeit ab einem bestimmten Punkt die Kurse als manipuliert ansehen könnte.

Der Ökonom und Nobelpreisträger Robert Shiller ist ebenfalls der Meinung, dass wirtschaftliche Standardmodelle nicht mehr für eine zutreffende Vorhersage geeignet seien. Außerdem sieht er die Gefahr eines Rückschlags an den Börsen gegeben. Er sagte zu CNN, dass die steigenden Risiken und Kurse den Aktienmarkt "verwundbar" machen würden. Für ihn sind die plötzlichen Randalen in den USA wie "ein Feueralarm in der Nacht". Die erstaunlichen Kursgewinne aus der jüngsten Zeit könnten somit mit der Stimmung im Land umso verheerender ins Negative umschlagen.

Redaktion finanzen.at

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