26.10.2014 15:49:38

Politik und Wirtschaft loben Ergebnisse des Stresstests

   Von Andreas Kißler

   BERLIN--Die Ergebnisse des Bankenstresstests der Europäischen Zentralbank (EZB) haben bei Politikern und Wirtschaftsvertretern in Deutschland ganz überwiegend Zufriedenheit ausgelöst. Aus der Politik wurde aber gefordert, dass die Banken nun in ihren Anstrengungen nicht nachlassen und überdies das neue Vertrauen für eine stärkere Kreditvergabe nutzen sollen. Ökonomen wiesen dies zurück und warnten, dass wichtige Probleme weiter ungelöst seien.

   Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach von einer "beeindruckenden Leistung" der Aufsichtsbehörden. "Die Ergebnisse bestätigen meinen Eindruck, dass die deutschen Banken gut vorgesorgt haben", sagte er. Einzelne hätten im Laufe des Jahres weitere Kapitalmaßnahmen vorgenommen. "Für deutsche Banken sind daher keine weiteren Maßnahmen notwendig", konstatierte Schäuble.

   Banken, die eine Kapitallücke aufwiesen, bekämen nun zunächst Zeit, diese selbst zu schließen, und danach greife eine klare Haftungskaskade. "Staatliche Mittel stünden dabei an letzter Stelle," hob Schäuble hervor.

   Auch andere Vertreter der Großen Koalition in Berlin reagierten erleichtert auf den Stresstest - einige von ihnen forderten aber auch eine stärkere Kreditvergabe durch die einzelnen Banken. "Dies ist ein gutes Ergebnis für das deutsche Bankensystem", sagte Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus. Die Belastungsfähigkeit der deutschen Banken reklamierte er auch als "Erfolg der Regulierungspolitik der CDU/CSU-geführten Koalitionen".

   Die Politik wisse, dass die umfassende Begutachtung ein Kraftakt für die beteiligten Banken und die Aufseher gewesen sei. "Allerdings gibt es keinen Grund, in den Anstrengungen nachzulassen", so Brinkhaus. "Die Eigenkapitalsituation und Liquidität der Banken muss weiter verbessert werden." Dass Banken vor allem in Südeuropa durchgefallen seien, biete keinen Anlass zur Beunruhigung, denn es gebe Instrumentarien, um mit solchen Situationen umzugehen.

   SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider erklärte, die EZB habe nun alle Voraussetzungen geschaffen, um am 4. November die Aufsicht über Europas Banken und Kreditinstitute zu übernehmen. Er begrüßte, "dass die deutschen Kreditinstitute einen wichtigen Teil ihrer Hausaufgaben gemacht haben und von der EZB als krisenresistent eingeschätzt werden". Jedoch hätten sie dies nur mit erheblicher Hilfe des Bundes geschafft. "Jetzt sind die Banken aufgefordert, dieses neue Vertrauen zu nutzen: Für mehr Kreditvergabe, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, aber auch zur Konzentration auf ihre eigentliche Rolle, der realen Wirtschaft zu dienen", verlangte Schneider.

   Auch der SPD-Finanzsprecher Lothar Binding forderte dies. "Wenn ein so gut funktionierendes System seine Hauptaufgabe, Geld für die Realwirtschaft verfügbar zu machen, nicht mehr erfüllt, dann muss man noch mehr darüber nachdenken", sagte er dem Wall Street Journal Deutschland. "Ein System, das gut funktioniert, muss die Realwirtschaft auch gut versorgen." Das sei um so wichtiger, als momentan "eine kleine Delle" im Wachstum zu beobachten sei. "Da kann man natürlich jetzt nach der Politik rufen, aber man kann auch erst einmal nach gutem Management und guten Banken suchen."

   Volkswirte widersprachen solchen Forderungen allerdings und zeigten eine skeptischere Reaktion auf den Stresstest. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sah in dem Stresstest zwar "einen wichtigen Teilerfolg", der helfe, die Unsicherheit zu reduzieren und das Vertrauen in die europäischen Banken zu verbessern. "Jedoch bleiben wichtige Probleme ungelöst", monierte er und forderte entschlossenere Maßnahmen der Politik. "Der Stresstest alleine wird die Kreditklemme für kleine und mittlere Unternehmen in Südeuropa nicht lösen."

   Damit sei auch keine deutliche konjunkturelle Belebung durch den Test zu erwarten. Zu viele Banken seien noch immer zu abhängig von den günstigen Krediten der EZB, und es fehle ihnen an einem nachhaltigen Geschäftsmodell. Es mangele weiter an politischem Willen, Banken zu schließen und die finanzielle Fragmentierung in Europa zu reduzieren. "Die Politik ist nun dringend gefordert, diese Probleme anzugehen, so dass sich sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach Krediten erhöht," verlangte Fratzscher.

   Ähnlich kritisch äußerte sich das Kieler Institut für Weltwirtschaft. "Nach dem jetzt durchgeführten Gesundheitscheck für die europäischen Banken dürfte deren Kreditvergabe nicht über Nacht auf Expansionskurs einschwenken", sagte dessen Konjunkturexperte Stefan Kooths.

   Denn die Überschuldungspositionen potenzieller Kreditnehmer in den Krisenländern blieben weiterhin ungelöst, die ihren Ursprung in einer übermäßigen Kreditexpansion vor der Krise hätten. "Dies sollte davor warnen, die Banken nach ihrer 'Bilanzreparatur' nun abermals zu einer laxen Kreditvergabe zu verleiten", meinte Kooths.

   Der Kieler Institutspräsident Dennis Snower erklärte zudem, die Tatsache, dass 25 Banken den Test nicht bestanden hätten, bedeute, "dass europäische Banken noch immer nicht ruhige Fahrwasser erreicht haben". Er kritisierte das gesamte System der Stresstests, denn durch sie gerate die EZB in ein gefährliches Dilemma, "weil von ihr gleichzeitig erwartet wird, die Solvenz von Banken kritisch zu prüfen, die Preisstabilität im Blick zu behalten, die Stabilität des Finanzsystems zu sichern und die Konjunktur zu steuern". Deshalb forderte Snower, darauf hinzuarbeiten, "Bankenregulierung und Bankenaufsicht unabhängig von der EZB zu betreiben".

   Hingegen erklärte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der Stresstest sorge für Transparenz im europäischen Bankensystem. "Er hilft, an den Finanzmärkten und bei den Kunden weiter Vertrauen zurückzugewinnen", sagte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben dem Wall Street Journal Deutschland. "Und er bringt Europa ein Stück vorwärts." Das solide Abschneiden der deutschen Institute sei in dieser Hinsicht "ein ermutigendes Zeichen".

   Die bald beginnende Großbankenaufsicht durch die EZB sei im Prinzip richtig. Jedoch dürften die Stärken des deutschen Drei-Säulen-Systems von der neuen Aufsicht nicht in Frage gestellt werden, forderte Wansleben.

   Die kreditwirtschaftlichen Verbände lobten die Resultate für Deutschland durchweg. Nach Überzeugung des Bundesverbandes deutscher Banken zeigen die Ergebnisse des Bankenchecks, "dass das europäische Finanzsystem deutlich stabiler geworden ist". Auch zeige sich, dass die deutschen Banken im europäischen Vergleich "verlässlich und solide" aufgestellt seien, erklärte Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer.

   Die Präventivwirkung dieses Comprehensive Assessment sei nicht zu unterschätzen. Allein die deutschen Banken hätten seit dem vergangenen Jahr ihre Eigenkapitalpuffer um einen zweistelligen Milliardenbetrag aufgestockt - diese Maßnahmen würden in den Ergebnissen jedoch nicht vollständig reflektiert. "Nicht jede Bank, für die Kapitalbedarf berechnet wurde, hat diesen auch tatsächlich," betonte Kemmer deshalb. Unabhängig davon liege aber "noch eine Menge Arbeit vor den europäischen Banken, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken".

   Die deutschen Sparkassen und Landesbanken hoben besonders hervor, dass sie selbst in einer guten Verfassung seien. "Alle öffentlichen Banken in Deutschland haben den EZB-Stresstest bestanden und gehen gestärkt aus dieser intensiven Überprüfung hervor", so die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, Liane Buchholz. Die Ergebnisse bestätigten, "dass die öffentlichen Banken auf einer soliden ökonomischen Basis krisenfest aufgestellt sind". Die Erwartungen hätten sich daher in vollem Umfang erfüllt. Das nun vorliegende "Vertrauenstestat der EZB" sei ein starkes Signal in den Markt.

   Für den Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon, hat der Stresstest "in eindrucksvoller Weise die Stabilität des deutschen Finanzmarktes unterstrichen". Dabei hätten die Landesbanken besonderen Anteil am guten Gesamtergebnis. "Die Landesbanken haben in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben gemacht und sind heute Stabilitätspfeiler des Finanzmarkts." Für die an dem Test beteiligten zwei Sparkassen zeige das Ergebnis eine Stabilität, die aus einem risikoarmen Geschäftsmodell folge. Künftige europäische Stresstests dürften die Institute nicht noch einmal derart administrativ belasten, forderte der Sparkassen-Präsident aber.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   DJG/ank/brb

   (END) Dow Jones Newswires

   October 26, 2014 10:18 ET (14:18 GMT)

   Copyright (c) 2014 Dow Jones & Company, Inc.- - 10 18 AM EDT 10-26-14

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!