Unklarheit geht weiter 28.03.2019 08:33:00

Parlament versinkt im Brexit-Chaos - Keine Einigung auf Alternativen - May bietet Rücktritt an

Parlament versinkt im Brexit-Chaos - Keine Einigung auf Alternativen - May bietet Rücktritt an

Das sagte May am Mittwoch vor einer Gruppe von konservativen Abgeordneten in London. Kurz darauf lehnte das Parlament am Abend alle acht vorgelegten Alternativvorschläge für den mit Brüssel ausgehandelten Deal ab.

Sie werde die nächste Phase der Brexit-Verhandlungen nicht leiten, sagte May. Sie hofft nun darauf, ihren Deal noch in dieser Woche ein drittes Mal den Abgeordneten vorlegen zu können. Zwei Mal ist sie mit dem Abkommen im Unterhaus bereits gescheitert.

Doch auch für Alternativen scheint es im Parlament keine Mehrheit zu geben. Verschiedene Varianten einer engeren Anbindung an die EU lehnten die Abgeordneten bei einer Testabstimmung genau so ab wie ein zweites Referendum oder einen Austritt ohne Abkommen.

Dafür hatten Abgeordnete der Regierung zeitweise die Kontrolle über die Tagesordnung im Unterhaus aus der Hand genommen. Mit den "indicative votes" wollte das Parlament ausloten, für welche Optionen es eine Mehrheit gibt - doch die zerstrittenen Abgeordneten kamen keinen Deut voran. Sie haben sich auch den kommenden Montag für ihre Zwecke reserviert, dann soll es weitere Abstimmungen geben.

Regierungschefin May sagte: "Ich bin darauf vorbereitet, diesen Posten früher zu verlassen als beabsichtigt, um das Richtige für unser Land und für unsere Partei zu tun." Sie wisse, dass es auch den Wunsch nach einer neuen Führung gebe - "ich werde mich dem nicht in den Weg stellen". Einen genauen Zeitpunkt für ihren Rücktritt nannte May aber nicht.

Scharfe Kritik an dem Vorgehen Mays übte umgehend Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon: "Wenn der Brexit am Ende auf der Basis eines Deals durchgesetzt wird, den niemand unterstützt - ein Deal, der so schlimm ist, dass die Premierministerin sogar ihren Rücktritt versprechen muss, um ihn durchzubringen - wird das ein ohnehin schon schlechtes Projekt noch verschlimmern."

Die nordirische Partei DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung seit einer verpatzten Neuwahl angewiesen ist, will der Regierungschefin nach Angaben vom Mittwoch die Gefolgschaft bei einer erneuten Abstimmung über den Deal verweigern.

Bereits am vergangenen Wochenende war in Medienberichten über mögliche Interimsnachfolger für May spekuliert worden. Dazu zählen demnach der EU-freundliche Vizepremier David Lidington und der Brexit-Anhänger und Umweltminister Michael Gove. Beide zeigten sich der Premierministerin gegenüber aber äußerst loyal.

Mitte Januar und Mitte März ist das Brexit-Abkommen im Parlament bereits krachend durchgefallen. Doch Gegner Mays wie Ex-Außenminister Boris Johnson und der erzkonservative Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg signalisierten, dass sie den Deal nun unterstützen könnten.

Erneut einen Strich durch die Rechnung machen könnte May allerdings Parlamentspräsident John Bercow: Er stellte eine weitere Abstimmung infrage. Bercow erinnerte die Regierung daran, dass nur substanzielle Änderungen an dem Deal eine weitere Abstimmung rechtfertigen können. Er hatte vergangene Woche für Aufsehen gesorgt, als er eine erneute Abstimmung über das Abkommen unter Berufung auf eine 415 Jahre alte Regel zunächst ausschloss. Kritiker werfen ihm Parteilichkeit zugunsten der EU-freundlichen Abgeordneten vor.

Mahnende Worte gab es seitens der Europäischen Union. EU-Ratspräsident Donald Tusk forderte das Europaparlament auf, notfalls eine weitere Verschiebung des Brexits und eine Teilnahme der Briten an der Europawahl Ende Mai zu unterstützen. Es gebe eine "wachsende Mehrheit von Menschen" im Vereinigten Königreich, die in der EU bleiben wolle, sagte Tusk im Europaparlament in Straßburg. Diese Menschen dürften nicht verraten werden.

Tusk spielte mit seinen Äußerungen darauf an, dass es aus dem Europaparlament zuvor Kritik an der Möglichkeit eines längeren Brexit-Aufschubs gegeben hatte. Abgeordnete befürchten, dass bei der Europawahl im Mai dann erneut auch viele britische EU-Gegner ins Parlament gewählt werden könnten. Ein solches Denken sei inakzeptabel, sagte Tusk nun. Er verwies dabei auch auf die rund sechs Millionen Briten, die zuletzt eine Online-Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU unterzeichnet hatten, und auf die rund eine Million Menschen, die am vergangenen Wochenende für ein neues Referendum auf die Straße gegangen waren.

Ursprünglich sollte Großbritannien schon an diesem Freitag die EU verlassen. Brüssel bot London kürzlich eine Verschiebung des Brexits bis zum 22. Mai an. Bedingung dafür ist aber, dass das Unterhaus dem Austrittsvertrag noch in dieser Woche zustimmt. Andernfalls gilt die Verlängerung nur bis zum 12. April. In dem Fall soll London der EU vor diesem Termin sagen, wie es weitergehen soll.

Sollte Großbritannien ohne Abkommen aus der Staatengemeinschaft ausscheiden, wird mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche gerechnet.

Vor knapp drei Jahren hatten die Briten in einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt.

LONDON/BRÜSSEL (dpa-AFX)

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