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23.07.2020 20:10:38
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Zweckoptimismus / Kommentar zur Lage von Daimler von Stefan Kroneck
Frankfurt (ots) - Nach den tiefroten Zahlen fürs zweite Quartal übt sich Ola
Källenius in Zweckoptimismus. Mit Blick auf die relativ soliden Konjunkturdaten
aus China hofft der Vorstandschef von Daimler, dass das Tief infolge der
Corona-Pandemie überwunden ist. Wie seine Amtskollegen Oliver Zipse von BMW und
Herbert Diess von Volkswagen setzt der Schwede auf eine rasche Erholung im
asiatischen Riesenreich mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern. Källenius stützt
sich dabei auf die jüngsten verheißungsvollen Pkw-Absatzzahlen im größten
Automarkt der Welt, die eine Wende zum Besseren versprechen nach dem faktischen
Stillstand von Mitte März bis Ende Mai, als zahlreiche Werke ihre Produktion
wegen der Seuche einstellen mussten.
Der Hoffnungsschimmer für die deutschen Autohersteller am anderen Ende der Welt
macht deutlich, wie abhängig ihre Geschäftsmodelle von den kommunistischen
Machthabern in Peking, die auf eine Art planwirtschaftlichen Staatskapitalismus
setzen, sind. Stottert der Wachstumsmotor China, kommen die Topmanager in
Stuttgart, München und Wolfsburg ins Schwitzen. Angesichts dieser Lage ist es
nachvollziehbar, wenn sich Källenius & Co. mit öffentlicher Kritik an den
Herrschern in Chinas Kapitale bedeckt halten: Ob es um Menschenrechte geht oder
um das heikle Thema Hongkong, für die hiesige Autoindustrie gilt: business as
usual.
Trotz verbesserter Aussichten ist die nach außen getragene Zuversicht des
Daimler-Lenkers doch recht trügerisch. In den anderen beiden Kernmärkten Europa
und USA läuft das Geschäft nach wie vor schlecht. Eine mögliche zweite
Viruswelle im Herbst könnte die aufgehellte Stimmung rasch wieder eintrüben -
vor allem an den Börsen, wo die Anleger derzeit jede Nachricht, die mit ihrer
Erwartung übereinstimmt, dass ein Überwinden der Coronakrise alsbald gelingt,
beherzt aufgreifen. In diesem Umfeld kommen ihnen die Daimler-Quartalszahlen
gelegen, obwohl diese in "normalen" Zeiten womöglich einen Kurssturz ausgelöst
hätten. Stattdessen führte die Aktie am Donnerstag mit einem Plus von über 4%
den Dax an.
In dieser (übertriebenen) Euphorie an den Märkten wird die Warnung von
Finanzvorstand Harald Wilhelm ausgeblendet, dass Mehrkosten in Milliardenhöhe
wegen Rechtsstreitigkeiten in Sachen Dieselabgasmanipulationen und aufgrund der
geplanten Einschnitte (inklusive Personalabbau) das Betriebsergebnis zum
Jahresschluss verhageln könnten. Das zeigt, dass Daimler nach dem Horrorjahr
2019 noch lange nicht über den Berg ist.
(Börsen-Zeitung, 24.07.2020)
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