19.05.2020 20:30:41
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Wenig Perspektive, Kommentar zu Thyssenkrupp von Annette Becker
Frankfurt (ots) - Thyssenkrupp wirft Ballast ab. Rund ein Viertel des Umsatzes
steht zum Verkauf. Wachstum und Schuldenabbau sind das Ziel. Da sage noch einer,
Geschichte wiederholt sich nicht. Die drei Sätze waren im Mai 2011 Schlagzeilen
in der Börsen-Zeitung. Damals hatte der seit Jahresbeginn amtierende
Vorstandschef Heinrich Hiesinger ein erstes Strategiekonzept zur Neuausrichtung
des Konzerns vorgestellt. Auch damals sollten mit umfangreichen Desinvestitionen
Mittel für den Abbau der Schulden beschafft und mehr Freiraum für die
Entwicklung der Wachstumstreiber geschaffen werden.
Neun Jahre später steht Martina Merz, die im Oktober den Vorstandsvorsitz
interimistisch übernommen hat und seit April dauerhaft die Führungsrolle im
Traditionskonzern innehat, vor vergleichbaren Aufgaben. Zwar ist die
gewichtigste Desinvestition mit dem Verkauf der Aufzugssparte abgearbeitet, doch
wird erneut ein Jahresumsatz von 6 Mrd. Euro zur Disposition gestellt. Hier geht
es natürlich weniger um das Versilbern von Assets, sondern ums Aussortieren von
Kostgängern.
Die mit dem Strategie-Update erhoffte Zukunftsperspektive für den Ruhrkonzern
bleibt dagegen vage. Zugegeben, die Covid-19-Pandemie dürfte so manchen Strich
durch die Wachstumspläne gemacht haben. Ernüchternd ist allerdings, dass nur 40
Prozent des Konzernumsatzes - namentlich der Werkstoffhandel und die
Industriekomponenten - aus eigener Kraft vorangebracht werden können. Für den
Rest, der (noch) nicht in die "Bad Bank" abgeschoben wurde, bleibt nur die vage
Hoffnung, im Zuge der jeweiligen Branchenkonsolidierung zu reüssieren.
Gerade hinter das Stahlgeschäft ist in dieser Hinsicht ein dickes Fragezeichen
zu setzen, ist es doch erst ein Jahr her, dass die Fusion mit Tata Steel am
Widerstand der Kartellwächter in Brüssel scheiterte. Erschwerend kommt hinzu,
dass sich Thyssen im Stahlgeschäft der mächtigen IG Metall gegenübersieht, die
es versteht, ihre Interessen durchzusetzen. Damit wird so manches, was denkbar
ist, nicht machbar sein.
Hinter den Erwartungen zurück bleibt das Strategie-Update aber vor allem mit
Blick auf klare Finanzziele. Einen positiven Free Cash-flow, eine auskömmliche
Rendite auf das eingesetzte Kapital und attraktive Dividenden in Aussicht zu
stellen, ist eine Sache, wie und wann Thyssenkrupp dorthin gelangen soll, hätte
deutlicher werden müssen. Damit sich Geschichte nicht wirklich wiederholt, muss
Merz den beschlossenen Umbau nun mit aller Kraft ins Werk setzen.
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