13.10.2021 19:32:38
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Verordneter Kulturwandel, Kommentar von Tobias Fischer zur BaFin
Frankfurt (ots) - Die Finanzaufsicht verpasst sich nach dem Wirecard-Debakel
mehr Risikobereitschaft, mehr Schlagkraft und mehr Esprit. Die Spitze unter der
neuen Führung von Mark Branson soll in Kombination mit einem Reformplan der
BaFin "mehr Biss" verleihen, sie zur Aufsicht von Weltklasse machen und den
Kulturwandel befördern. So weit der Plan. Mehr Durchschlagskraft versprechen
etwa der Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe, forensische Prüfungen und eine
Fokusaufsicht, die nicht an den Grenzen von Banklizenzen haltmacht.
Ernsthafter Tatendrang lässt sich dem mit viel Vorschusslorbeer bedachten
BaFin-Chef kaum absprechen. Branson kommt nicht nur nach erster Begutachtung
seiner neuen Wirkungsstätte zu den richtigen Analysen, er spricht auch unbequeme
Urteile aus. Beispielsweise, dass jahrelanges Kosten- und Personalwachstum ein
Ende haben muss. Lieber soll intern umsortiert als neu eingestellt werden. Der
Dienstherr mahnt zur Selbstdisziplinierung, weil sich die an Aufrüstungsrituale
gewöhnte Behörde andernfalls in Ineffizienz und Trägheit zu verlieren drohe.
Der von außen kommende Hoffnungsträger läuft jedoch Gefahr, den
Beharrungskräften des Apparats zu unterliegen. Ob sich eine hinreichende Menge
an Mitarbeitern mit ausgeprägtem Sicherheitsdenken zu mehr Risikobereitschaft
hinreißen lässt und in Jahren und Jahrzehnten angeeigneter Risikoaversion nun
vom Reaktions- in den Aktivmodus schaltet, ist fraglich. Das Verhalten ist
verständlich, schließlich ist es vielerorts im Hause geübte Praxis, vor einem
Einschreiten mögliche Risiken nach allen Regeln der Kunst rechtlich abzuklopfen,
um sich nicht in juristischen Händeln zu verstricken oder dem Vorwurf der
Beliebigkeit oder Willkür auszusetzen.
Dem viel beschworenen Kulturwandel der BaFin ist das aber kaum förderlich. Es
darf unterstellt werden, dass er ohnehin vom Bundesfinanzministerium ausgeht.
Kulturwandel lässt sich aber schwerlich von oben verordnen. Ohne Einsicht der
Beschäftigten in die Notwendigkeit von Neuerungen und echten Veränderungswillen
ist er zum Scheitern verurteilt.
Beredtes Beispiel für die Schwierigkeit des Unterfangens ist der Aufschrei von
Teilen der Belegschaft, die sich empört über die zu Recht erlassenen
Einschränkungen privater Wertpapiergeschäfte zeigen und gar Kompensation
einfordern. Der Neuankömmling muss also aufpassen, dass der Kulturwandel nicht
zum Kulturkampf ausartet. Andernfalls erschöpft sich der erhoffte stärkere Biss
der BaFin darin, dass einer auf Granit beißt: Branson.
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