06.10.2021 19:24:38

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Urteil ohne Sieger, Kommentar zu Prämiensparverträgen von Jan Schrader

Frankfurt (ots) - Wenn Worte schmerzen könnten, hätten sich Sparkassenvertreter

am Mittwoch im Sitzungssaal E 101 des Bundesgerichtshofs um 11:22 Uhr sichtbar

gewunden: "Die Zinsänderung muss das Äquivalenzverhältnis beachten", sprach

Jürgen Ellenberger, Vizepräsident des Gerichtshofs und Vorsitzender des

zuständigen elften Zivilsenats - und traf damit einen Nerv. Für die uralten

Prämiensparverträge muss die beklagte Sparkasse Leipzig nämlich voraussichtlich

Zinsen nachbezahlen. Denn Änderungen des allgemeinen Zinsniveaus hätte sie nicht

"absolut", also eins zu eins auf den Vertragszins übertragen dürfen, sondern nur

anteilig, also "relativ" nach dem Äquivalenzprinzip. Bei allgemein fallenden

Zinsen wirkt sich das zulasten von Sparkassen und Banken aus. Und weil

vergleichbare Verträge um die Jahrtausendwende landauf, landab verkauft worden

sind - vor allem von Sparkassen, aber auch von einigen Kreditgenossenschaften -,

drohen der Branche schmerzhafte Nachforderungen, die sich auf einen

Milliardenbetrag summieren könnten. Autsch!

Vorteilhaft ist das Urteil also für die vielen Prämiensparer, von denen sich

Tausende hinter den Musterfeststellungsklagen der Verbraucherzentralen

versammelt haben oder künftig mithilfe spezialisierter Anwälte auf die

Geldhäuser zugehen werden. Doch eindeutig gesiegt haben auch sie nicht: Denn der

Bundesgerichtshof weist den Fall zurück an das Oberlandesgericht Dresden, wo nun

weiterverhandelt wird. Der Referenzzins steht dabei noch nicht endgültig fest.

Es sollte ein langfristiger, öffentlich zugänglicher Wert sein, wie Ellenberger

bekräftigte, doch die genaue Entscheidung steht aus. Schnelle Klärung? Nicht aus

Karlsruhe!

Ewig lange Verfahren sind ein Nachteil: In einem Nullsummenspiel wie der

Zinsberechnung wird immer die eine Partei zulasten der anderen profitieren, ob

nun die Sparkasse oder ihre Kunden, aber anhaltende Unklarheit ist unter dem

Strich immer ein Nachteil. Es ist eben nicht der größtmögliche Nutzen eines

Urteils, sondern eine möglichst hohe Konsistenz juristischer Prinzipien, die im

Gerichtssaal ausschlaggebend ist. Ein Pauschalurteil fällt der elfte Zivilsenat

nicht, einzelne Aspekte der Verjährung und Verwirklichung etwa sind demnach

nicht verallgemeinerungsfähig. Das Urteil lässt einige Unschärfen.

Somit geht der Streit in die nächste Runde. Ein Krieg der Experten vor dem

Oberlandesgericht Dresden ist programmiert. Trotz eines Urteils ohne Sieger

steht damit schon fest, wer profitieren wird: die Gutachter.

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