20.01.2022 20:14:38

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Schwierige Balance, Kommentar zum EU-Digitalgesetz von Andreas Heitker

Frankfurt (ots) - Dass das Gesetz über digitale Dienste in der EU eine

Richtlinie aus dem Jahr 2000 ersetzen soll (also einer Zeit lange vor dem ersten

iPhone), zeigt deutlich, wie überfällig die Regulierung ist. Zusammen mit dem

Gesetz über digitale Märkte (DMA) sollen die neuen Regeln eine Art europäisches

Grundgesetz für das Internet bilden. Im Gegensatz zum DMA, der auf

Wettbewerbsfragen und damit die großen US-Tech-Konzerne zielt, wird der Digital

Services Act (DSA) eine breite Wirkung unter den Unternehmen und Internetnutzern

erzielen.

Jeder, der online shoppen geht, sich eine Urlaubswohnung über Airbnb bucht, der

auf Twitter oder Instagram aktiv ist oder sich nur eine neue App herunterlädt,

ist betroffen. Allein dass die nervigen Cookie-Banner ein Ende haben, wenn man

künftig bestimmte Browser-Einstellungen wählt, dürfte dem DSA viel Applaus

einbringen.

Die Verordnung soll den Online-Handel sicherer machen und zugleich die Offline-

und Online-Gesetze miteinander in Einklang bringen. Dafür mussten und müssen die

EU-Gesetzgeber allerdings an vielen Stellen eine schwierige Balance schaffen.

Nehmen wir das verschärfte Vorgehen gegen Hassrede und Desinformation: Wie

werden willkürliche Löschungen verhindert? Wo ist die Grenze zur

Meinungsfreiheit? Die derzeit diskutierten Lösungen überzeugen noch längst nicht

jeden.

Oder nehmen wir in diesem Zusammenhang den aktuell vor allem in Deutschland in

der Kritik stehenden Messengerdienst Telegram: Ja, gegen die Hetze auf dem Kanal

muss dringend eine Lösung gefunden werden. Wenn man aber andererseits weiß, dass

Telegram gerade wegen seiner Verschlüsselung zu einem der wichtigsten

Kommunikationswege der Opposition in autoritären Staaten geworden ist, stellt

sich das diskutierte Verbot schon anders da. Die (letztlich gescheiterte)

belarussische Revolution 2020/21 hätte es ohne Telegram wohl nicht gegeben.

Und was ist mit der Balance zwischen Verbraucherschutz und der Förderung der

europäischen Digitalwirtschaft? Und muss es unbedingt Ausnahmen für kleine

Unternehmen geben, oder machen diese alles wieder viel zu kompliziert? Und muss

zum Schutz von Kindern das Recht auf anonymes Surfen im Internet geopfert

werden?

Es sind schwierige Abwägungen, welche die Gesetzgeber in ihren jetzt beginnenden

Schlussverhandlungen vornehmen müssen. Gelingen sie, könnte sich die EU aber

rühmen, globaler Vorreiter für eine neue Gesetzgebung für das Internet zu sein.

Pressekontakt:

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