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22.09.2020 19:59:38

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Schritt in die Neuzeit / Kommentar zur Regelung für virtuelle

Hauptversammlungen von Angela Wefers

Frankfurt (ots) - Dass nach der Corona-Pandemie nicht mehr alles so sein wird

wie zuvor, ist inzwischen vielen klar. Dies gilt auch für das Verhältnis und die

Kommunikation zwischen den Eigentümern von Aktiengesellschaften und deren

Organen. Bundesregierung und Bundestag haben in der Corona-Pandemie im Frühjahr

schnell gehandelt und mit einer Sonderregelung im Aktienrecht die

Hauptversammlungssaison 2020 gerettet. Aktionärsversammlungen durften virtuell

abgehalten werden. Der eilig geschaffene Rechtsrahmen ist als Ausnahme

konzipiert. Nach der Saison 2020 gibt es unterschiedliche Erfahrungswerte:

Aktionärsschützer und institutionelle Investoren beklagen einen massiven

Einschnitt in die Eigentümerrechte. In den Unternehmen wird die Neuregelung

durchaus goutiert, erlaubt sie Vorstand und Aufsichtsrat doch mehr Kontrolle

über das Geschehen. Der Qualität von Aktionärsversammlungen, die auch eine Bühne

für Selbstdarsteller und Berufsquerulanten sind, kann dies durchaus dienen.

Die Pandemie verläuft bislang nicht so, dass der Schritt zurück in die alte

Normalität vorgezeichnet ist. Im Gegenteil: Das Virus wird in der

Hauptversammlungssaison 2021 kaum schon wieder Präsenztreffen von Menschen in

großer Zahl erlauben. Die Bundesjustizministerin schickt sich deshalb an, die

einmalige Option des Gesetzespaketes zu ziehen, die Sondervorschrift um ein Jahr

bis Ende 2021 zu verlängern.

Für Bundesregierung und Gesetzgeber wäre dies der richtige Moment, einen Schritt

weiter zu gehen - den in eine neue Normalität. Seit Jahren wird die Möglichkeit

ventiliert, eine Hauptversammlung auch in virtueller Form abhalten zu können. In

Zeiten der Globalisierung, in denen Kapitalanlage nicht an nationalen Grenzen

haltmacht, könnten Aktionäre ihre Rechte dadurch sogar besser wahrnehmen. Dafür

eröffnet sich nun die Chance.

Der Gesetzgeber ist in der selten glücklichen Lage, nicht nur theoretisch

vorausdenken zu müssen, sondern auf der Sandkastenübung unter Corona-Bedingungen

aufbauen zu können. Die Erfahrungswerte aus der Hauptversammlungssaison 2020

helfen. Für die neue Form von Aktionärstreffen gilt aber: Das Kräfteverhältnis

zwischen Aktionären und den Organen ihrer Gesellschaft sollte dadurch nicht

verschoben werden. Corona-Abschläge durch die Hintertür bei den Eigentumsrechten

sind tabu. Bewegt die große Koalition jetzt mehr als nur eine Verlängerung des

Ausnahmezustands, hätte sie aus der Coronakrise sogar Positives gezogen.

(Börsen-Zeitung, 23.09.2020)

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